Wie ist der Prozess bis zur Sterilisation abgelaufen?
Ich habe mich also seitdem ich Anfang 20 war ernsthaft damit auseinander gesetzt mich sterilisieren zu lassen, aber keine Stelle in meiner Nähe gefunden und versucht einen Weg zu finden. Ich bin dabei auf die Seite von „Selbstbestimmt steril e.V.“ gestoßen, die sich für einen Zugang zu Sterilisation von Frauen einsetzt. Da Sterilisationen Frauen in jüngeren Jahren und ohne Kinder häufig verwehrt werden, sammelt die Seite Gynäkolog*innen, die selbstbestimmte Sterilisationen unterstützen. Irgendwann gab es bei der Seite einen neuen Eintrag, von einer Stelle, die Sterilisationen auf Wunsch durchführt, die ich direkt mit dem Zug erreichen kann und die nur eine einstündige Fahrt entfernt ist. Ich habe dort angerufen und einen ersten Termin ausgemacht, direkt wurde mir auch ein OP-Termin gegeben. Den Preis musste ich natürlich selbst tragen, und der liegt bei 900€.
Zwei Monate später hatte ich den ersten Termin. Es wurden ein paar Untersuchungen gemacht und dann wurde ich zu den Hintergründen dieser Entscheidung gefragt. Als erstes bin ich auf die Missbrauchsgeschichte eingegangen. Das wurde so hinterfragt und besprochen, dass letztendlich keine Zeit mehr für meine anderen Gründe war, die hinter meiner Entscheidung stehen. Mir wurde gesagt, dass man die OP nicht ohne weiteres bei mir machen würde, da man ja nicht sicher sein könnte, ob ich in der Lage bin diese Entscheidung mit dieser Tragweite zu treffen. Ich solle in vier Wochen nochmal wiederkommen und dann würde man schauen, ob ich immer noch so empfinde und möchte und bis dahin könne man sich auch im Krankenhaus beratschlagen, ob man diesen Eingriff bei mir durchführen könne.
Die Zeit, in der es so aussah, als würde ich die OP bekommen, war wirklich sehr erleichternd für mich.. Im Ich hatte in der Zeit ein besseres Verhältnis zu Sexualität, kam viel besser mit den Kindern in meinem Umfeld klar und auch Teile meiner Erkrankungen wurden schlagartig besser.
Beim zweiten Termin wurden abermals die gleichen Untersuchungen durchgeführt, wie beim ersten Mal, ohne eine vorangegangene Entscheidung. Ich habe da einfach mitgemacht, um so problemlos wie möglich weiterzukommen. Aber ohne die Entscheidung zu kennen und mit erneutem vaginalen Ultraschall hat sich das wie bloße Schikane angefühlt. Wozu sollte ich das machen, wenn eh noch im Raum stand, dass die Untersuchungen nicht nötig wären?
Ich musste auch bei diesem Termin mit der Ärztin diskutieren und abermals kleinschrittig emotionale Striptease geben, obwohl sie auch nicht die Ärztin war, bei der letztendlich die Entscheidung lag. Ich habe dieses Mal aber sehr darauf geachtet, zu allererst minutiös auf meine anderen Gründe einzugehen, damit dieses Mal klar wird, wie komplex durchdacht das eigentlich ist. Vermutlich sogar besser durchdacht, als die Hälfte von den Entscheidungen derer, die Kinder in die Welt setzen.
Anschließend hat die Ärztin, mit der ich gesprochen habe, ihre Vorgesetzte angerufen und mit der gesprochen. Diese wollte dann am Telefon mit mir sprechen, auch hier wieder die ganze Geschichte von vorne durchlaufen. Meine Gründe, wieso nicht andere Verhütungsmethoden,... Dieses Mal aber auch mit der Aussage, dass man gerne ein psychologisches Gutachten hätte. Da musste ich mir sehr viel Mühe geben, dass mir der Kragen nicht platzt. Letztendlich habe ich vermutlich eine halbe Stunde mit ihr diskutiert, bis sie zu dem Schluss kam, dass sie diese Entscheidung nicht treffen würde und ihre Vorgesetzte nochmal anrufen würde, und sich danach wieder telefonisch meldet. Es folgte eine Viertel Stunde in der wir quasi nur auf den Rückruf gewartet haben. Als der kam, hat die Ärztin ihn angenommen und nochmals etwa zehn Minuten telefoniert. Anschließend hat sie mir erklärt, dass ihre Vorgesetzte dagegen wäre und das nicht machen wollen würde, deren Vorgesetzte aber wohl und dass man bei mir deshalb eine Ausnahme machen würde.
Das war ein Aufatmen für mich, aber gleichzeitig auch ein Herunterschlucken von Wut. Ab da habe ich dann kommentarlos kooperiert, um nicht irgendjemandes Meinung zu ändern, ich hätte aber eine Menge zu sagen gehabt.
Mein neuer OP-Termin war zehn Tage darauf, bei dem lief alles s,o wie es sollte. Auch kein erneutes Diskutieren für mich. Ich habe den Eingriff gut überstanden und bin heute auf den Tag genau eine Woche und einen Tag sterilisiert. Die Wunden heilen gut ab, und ich bin nach wie vor unglaublich erleichtert und glücklich. Die ganze Geschichte war aber unheimlich kräftezehrend, sodass ich glaube ich noch einiges brauche mich davon zu erholen. Glücklicherweise habe ich gerade Urlaub und somit also genug Zeit dafür. In bin sehr mit mir und der Entscheidung im Reinen und sehr viel ausgeglichener.
Ich nehme sechs Tabletten am Tag, wovon eine die Pille ist. In ein paar Tagen habe ich einen Termin bei meiner Gynäkologin und kann dann hoffentlich die Pille absetzen und mir eine Tablette sparen. Meine Gynäkologin war übrigens sehr unterstützend bei der ganzen Sache, hat mir ohne Diskussion eine Überweisung ausgestellt und mich beraten. Also ich die Überweisung damals abgeholt habe hat sie sich von mir mit den Worten "Viel Glück bei dem Versuch etwas Selbstbestimmung in Deutschland zu finden" verabschiedet. Sie war mir eine große Stütze, für die ich nach wie vor sehr dankbar bin.