Welche Wege bist du ge­gangen, um den Kinderwunsch zu erfüllen? Wie ging es dir damit?

Kategorie: Unerfüllter Kinderwunsch Autor*in: Manja, 43, weiblich, unerfüllter Kinderwunsch

Als es nach Absetzen der Verhütung mit dem Schwangerwerden einige Jahre lang nicht geklappt hat, habe ich mich erstmal belesen, habe versucht die Ernährung anzupassen und um den Eisprung herum Verkehr zu haben. Also, schon das, was man so an Lebensgewohnheiten und Sexualität auch irgendwie optimieren kann. Ich habe aber da schon immer gemerkt, wenn das so in Richtung Sex nach Uhrzeit ging, dass mir das schnell zu viel wurde. Dass es da Grenzen für mich gibt. Dann waren wir am Anfang bei einer Heilpraktikerin. Da habe ich aber auch gemerkt, dass mir das zu viel wurde. Es war einerseits gut, dass man jemanden zum Sprechen über den Kinderwunsch hatte, aber die Intensität, mit der die das behandeln wollte, war mir dann zu viel. Wir haben auch viel Geld bezahlt. Und deswegen haben wir das dann irgendwann gelassen. Als nächstes habe ich meine Frauenärztin gebeten zu schauen, ob alles in Ordnung ist. Es war alles in Ordnung.
Und dann kamen immer wieder so Phasen, in denen monatelang, manchmal jahrelang nichts passiert ist. Das Thema hing dann schon mit Frustration zusammen. Wenn es eben wieder nicht klappte und ich wieder die Regel bekam. Es gab dann Phasen, in denen ich gar nicht drüber reden wollte. Oder mein Mann nicht drüber reden wollte. Ich fand die Pausen im Nachhinein auch ganz gut. In den Momenten hat es sich zwar nach Stagnation angefühlt, aber es waren auch Phasen des nochmal Nachdenkens, des Erdens. Ich habe auch viel mit Freundinnen darüber gesprochen.
Nach mehreren Jahren habe ich meinem Mann gesagt, dass ich gerne mal ein Spermiogramm hätte. Damit hat er sich schwergetan, das ist ein Tabu glaube ich. Aber er hat es dann gemacht. Und das fiel nicht super schlecht aus, aber eben auch nicht sehr gut. Also es war irgendwie unklar und wir wussten weiterhin nicht, woran es liegt, dass ich nicht schwanger wurde. Wir waren dann auch schon über 30 und haben überlegt, ob wir uns in einem Kinderwunschzentrum vorstellen. Parallel hatte es aber auch angefangen, dass ich kritischer auf Schwangerschaft, Geburt und Kinderhaben schaute. Und ich fing damit an, mich damit auseinanderzusetzen, was wäre, wenn sich der Kinderwunsch nicht erfüllt.
Und dann waren wir in der Kinderwunschklinik und haben uns da beraten und untersuchen lassen. Ich fand es ganz schrecklich dort, es war wie im Bestattungsinstitut, als wären alle schwerkrank, die Männer alle gesenkten Hauptes. Auch mein Mann sagte, dass er sich das nicht mehr antun will. Man hat auch gemerkt, dass viel Geld dranhängt. Alles war so in Zahlen gepresst: Erfolgschancen und Bezahlung waren das Wichtigste dort. Eine Ärztin fand ich sehr wenig einfühlsam. Da wurde mir dann gesagt, dass die Chancen in meinem Alter bei 5 % oder so was wären. Mir wurde so eine Zahl hingeknallt und dass das sowieso alles nicht funktioniert. Ich bin danach wirklich weinend zusammengebrochen, weil das so negativ war. Und danach war wieder ein Jahr Ruhe mit dem Thema, weil ich mir dachte, das tu ich mir nicht an. Dort bzw. so muss ich mich nicht behandeln lassen, das ist nicht mein Weg.
Ich glaube, wir hatten auch von Anfang an Vorbehalte gegenüber künstlichen Befruchtungsszenarien, also IVF (In-vitro-Vertilisation – Befruchtung findet im Reagenzglas statt) oder ICSI (Intrazytoplasmatische Spermieninjektion – Spermium wird im Labor direkt in Eizelle injiziert). Im Bekanntenkreis haben wir tatsächlich mehrere Fälle, wo Kinder nach ICSI behindert zur Welt gekommen sind. Gleichzeitig habe ich immer mehr gesehen, wie gut es einem ohne Kind gehen kann. Es war auch nie so ein Druck da, dass für einen von uns der unerfüllte Kinderwunsch ein Trennungsgrund gewesen wäre. Es fühlte sich nicht ausweglos an. Ich kriegte dann noch irgendwelche Blutbefunde, die wieder in Ordnung waren. Nach dem Jahr Pause kam dann die Frage auf, ob wir es vielleicht mit einem Spender versuchen. Wir haben dann Sperma aus Dänemark nach Hause bestellt, das ging damals rechtlich. Das war immer sehr aufregend, wenn der riesen Kryobehälter kam. Wenn es auf diesem Weg geklappt hätte, wäre es so gewesen, ich hätte mich auch gefreut, aber ich merkte auch, dass ich es emotional herausfordernd fand. Also, in dem Sinne, dass ich ja wusste, dass ich einen Partner habe, der theoretisch ein Kind zeugen könnte und dann biologisch das Kind einer anderen Person auszutragen… Das hätte für mich doch etwas Seltsames gehabt. Das haben wir dann nach drei Versuchen wieder gelassen, das war auch sehr teuer, 1.000 Euro pro Spende.
Ja, und kurz danach haben wir uns scheiden lassen. Mein Mann und ich hatten uns auseinander gelebt. Ich würde nicht sagen, dass wir uns wegen des unerfüllten Kinderwunschs getrennt haben, aber es hat sicher mit reingespielt, da unsere Beziehung von Anfang an sehr darauf angelegt war und uns fehlte ein alternativer Blick in die gemeinsame Zukunft. Es gab aber auch bei uns beiden eine Sehnsucht nach „Was gibt es noch?“, da es für uns beide die erste Beziehung war.
Und dann habe ich mich neu verliebt in eine Frau. Und habe gemerkt, dass das Kinderwunschthema für mich nicht erledigt war und habe ihr von Anfang an gesagt, dass mich dieses Thema weiter begleiten wird, sei es nur in meinem Kopf oder auch wirklich praktisch in der Umsetzung. Meine Partnerin hatte bisher keinen Kinderwunsch, hat sich dann damit auseinandergesetzt und letztlich gemeint, okay, können wir probieren. Dann haben wir überlegt, auf welchem Weg wir Sperma besorgen. Eine Samenspende von einer deutschen Samenbank konnte ich mir nicht vorstellen, da sucht die Samenbank den Spender letztlich aus. Damit konnte ich nicht gut umgehen. Meine Partnerin wiederum konnte sich nicht gut vorstellen, dass der Erzeuger in unserem Leben rumspringt. Es hat eben alles Vor- und Nachteile. Ich hatte eher den Wunsch, dass ich die Person gerne kennen würde, auch dass sie ansprechbar wäre, wenn das Kind wissen will, wo es herkommt. Also, wir sind da nur auf einen halben Nenner gekommen. Wir haben sehr viele Wege durchdacht und dann zwei ausprobiert: Zunächst haben wir ein schwules Paar aus unserem Bekanntenkreis gefragt, die sich sehr geehrt fühlten, aber zu der Zeit selbst keine Kinder wollten. Dann haben wir uns noch mal darauf eingelassen, Sperma in Dänemark zu bestellen. Dort kriegt man vom Spender ja auch Kinderfotos und die Motivation der Spende. Die Klinik in Dänemark hatte ich außerdem in guter Erinnerung von einer Reise mit meinem Mann. Dort waren alle total freundlich, es arbeiteten nicht nur Ärzte, sondern auch Hebammen dort, alles war total positiv. Ich hatte den Eindruck, die Vorteile der Samenspende wurden dort gelebt und gefühlt. Das hast du richtig gemerkt, dass Samenspende nicht (nur) für Krankheitsfälle gedacht war, sondern einfach als eine andere Art, ein Kind zu kriegen, gelebt wurde. Und deswegen bin ich bei der Samenbank dann letztlich hängengeblieben. Wir haben das dann fünf oder sechs mal bei mir versucht und es hat wieder nicht geklappt. Ich war dann auch schon Ende 30, sodass die Chancen natürlich schon schlechter waren. Aber auch die Art der Insemination kann entscheidend sein, leider haben die meisten Gynäkologinnen Angst dabei zu unterstützen, weil sie auf irgendwelche Unterhaltsansprüche verklagt werden könnten. Eine Gynäkologin hat uns einmal dabei unterstützt, sich dann aber nicht mehr getraut. Und das war dann mein letzter Akt vor ungefähr drei Jahren. Meine Gynäkologin meinte dann, dass sie empfehlen würde, dass es jetzt entweder meine Partnerin versucht, weil die jünger ist oder dass ich Maximalprogramm fahre mit Präimplantationsdiagnostik und hormonell noch mehr anstimulieren usw. Aber meine Partnerin kann sich das nicht vorstellen und wenn Supermedizin aufgefahren wird, mache ich dicht.
Ich habe auch mal über Adoption nachgedacht. Ich habe einen Adoptionsratgeber im Regal stehen – keine zehn Seiten habe ich darin gelesen. Würde mir jemand ein Waisenkind vor die Tür setzen, würde ich das großziehen und mich darum kümmern, wie um mein eigenes. Aber mich irgendwo anzumelden in einem Amt, ein Kind zugeteilt zu kriegen, wo ich vielleicht weiß, in der Schwangerschaft gab es Drogenkonsum. Irgendwie habe ich mir das nicht vorstellen können. Ich stecke meine Energie dann lieber in meine Arbeit bei den Familien, die es dann brauchen, damit sie vielleicht nicht drogenabhängig werden. Ich habe meinen Platz dann eher dort gesehen. Interessant war für mich in der Beschäftigung mit Adoption und Pflege, dass ich in meinem heutigen Alter zum Beispiel gar kein Baby mehr adoptieren könnte, sondern wenn dann ein älteres Kind. Das war mir davor gar nicht bewusst.

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Zeichnungen mit verschiedenen Darstellungen von Elternschaft