- Alter
- 35
- Gender
- Männlich
- Kinderwunsch
- nein
Wie haben sich Freundschaften verändert, seit Du bzw. enge Freund*innen Kinder haben?
Die Freundschaft zu meinem besten Jugendfreund hat sich durch die Geburt seines Kindes positiv entwickelt. Einerseits hat es mich gefreut, Patenonkel zu werden. Es war eine Form der Beziehungsstärkung, ein zusätzlicher Grund uns vermehrt und regelmäßig zu sehen und ein Commitment. Andererseits ermöglichen es die Kinder-Aktivitäten, viel miteinander zu reden. Ich erlebe die Freundschaft als sehr reif und wohlwollend und verbindlich. Gleichzeitig bleibt viel Freiheit und Gestaltungsmöglichkeit. Ich bin gespannt, wie es weitergeht in den nächsten Jahren.
Inwiefern hast du Kinder in deinem Leben, auch ohne eigene?
Kinder sind mir wichtig. Kindern beim Aufwachsen zusehen, sie begleiten, mit ihnen spielen, all das sagt viel über uns als Menschen/Menschheit aus: Wer wir sind, was wir sind, wie wir uns entwickeln etc. Deshalb ist es mir wichtig, mit Kindern im Kontakt zu sein. Ich habe mich deshalb bei einem Nachbarschaftshilfe-Projekt der Stadt Bern freiwillig engagiert und dabei einen 8-jährigen Jungen regelmäßig von der Tagesschule abgeholt und so ein kleinwenig seine alleinerziehende Mutter entlastet.
Ich habe den Anspruch, ein aktiver Patenonkel zu sein, arbeite in der Quartierarbeit, habe hier viel mit Kindern zu tun und auch mit den Kindern in meiner unmittelbaren Nachbarschaft. Mein Anspruch wäre es, noch regelmäßiger und langfristig die gleichen Kinder zu begleiten und z.B bei den Nachbarschaftskindern einen Beitrag zur Chancengleichheit in der Schule zu leisten, in dem ich ihnen z.B Aufgabenhilfe anbiete.
Warst Du dir schon immer sicher, dass Du selbst Kinder bzw. dass Du keine Kinder willst? Warum? Was lässt dich Zweifeln, was bestärkt dich?
Es ist eine Entscheidung, die lange gereift und in den letzten 2-3 Jahren reif geworden ist (durch Austausch mit engen Freunden, die eine Vasektomie vorgenommen haben). Nun will ich den nächsten Schritt tun und eine ebensolche Vasektomie durchführen lassen. Es gibt dafür eine Reihe von Gründen. Mit ist es wichtig, mir dieser Gründe klar zu sein, um die Entscheidung gegenüber meinem zukünftigen Ich vertreten zu können.
Hier eine Auflistung nach Gewichtung, je weiter oben in der Liste, je bedeutender und fundamentaler für meine Entscheidung:
1. Ich möchte primär meine Ideen und Werte weitergeben und nicht meine Gene (das hat wohl mit dem Soziologiestudium zu tun…)
2. Neue Elternmodelle ausprobieren, in Richtung frei-assoziierte Sippschaften. Ich denke, dass Personen, welche selber keine Kinder haben und dennoch Care-Arbeit übernehmen, einen Beitrag dazu leisten können, die bürgerliche Kleinfamilie zu überwinden. So können sie neue Formen von (sozialer) Elternschaft mitermöglichen. Ich kann mir vorstellen, dass dieses „post-moderne Onkel-Sein“, gerade für Kinder eine interessante Form einer zusätzlichen Bezugsperson darstellt und den Eltern ermöglicht, neben der Elternschaft andere Identitätsteile zu pflegen.
3. Ich habe mich entschieden, ein materiell einfaches und damit unsicheres Leben zu führen, was nicht per se den Kinderwunsch ausschließt, aber durch die Verantwortung für ein anderes Wesen doch gewisse Zielkonflikte birgt. Ich denke mit Kind würde ich tendenziell eine unbefriedigende Lohnarbeit oder die Beziehung zur Kindsmutter später kündigen/trennen als ohne Kind.
4. Ich bin lieber Kind, als dass ich welche habe.
5. Aktive Lebensgestaltungen, Einsichten und Überzeugungen in die Tat umsetzen, in diesem Fall durch eine Vasektomie die Entscheidung „verkörpern“, keine eigenen Kinder haben zu wollen.
6. Es gibt genug klassische Familien. Im Sinne der Pluralität von Lebensformen, finde ich es spannend, andere Wege einzuschlagen zu entdecken und auszuprobieren
7. Ich interessiere mich weniger für Windeln und Babynahrung und mehr für Pädagogik und spielendes Weltentdecken mit Kindern. Hier habe ich noch viel zu lernen. Ich denke, die Basis ist wie überall im Leben die Haltung und die Beziehung.
8. Und ja, es gibt sie natürlich, die egoistischen, opportunistischen Gründe: Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit, Freiheit, dass jederzeit alles passieren kann und ich nicht 20 Jahre lang „gebunden“ sein will, Zeitkapazitäten für intensives soziales Engagement und spontane Eskapaden, ohne dass ich eine Kinderbetreuung organisieren muss. Lieber eine Nacht durchfeiern, als eine schlaflose Nacht mit Kindern weinen. Vom einem Moment auf den anderen entscheiden können, mein Leben total zu verändern – und es tun, z.B einfach mal loslaufen…
9. Beitrag, als Mann Verantwortung für die Verhütung zu übernehmen und auch selbst die „Kontrolle“ darüber zu haben.
10. Globaler Kontext, Zukunft der Zerwürfnisse, vielleicht Kollaps der Zivilisation bis Ende des Jahrhunderts, massiver Klimawandel, sich zuspitzende geopolitische und militärische Konfrontationen, dabei gibt es genug Kinder auf der Welt, viele davon leiden. Die Welt braucht nicht mehr Kinder, sondern mehr Geborgenheit für Kinder! Auch hier werde ich mich noch genauer mit der Frage auseinandersetzen, was mein Beitrag sein kann.
11. Rein intuitiv, keine Lust auf eigene Kinder, eigentlich auch nie gehabt. Keine Bedürfnisse, die ich mir mit dem Kinderwunsch zu erfüllen erhoffe.
12. Polyamore Lebensweise mit wechselnden Beziehungsgeflechten, was es nicht ausschließt, Kinder zu haben, aber für mich stehen die Auseinandersetzung und die Pflege der amourösen Beziehungen im Vergleich zur Kindsliebe im Vordergrund.
13. Schließlich habe ich das Gefühl, nicht besonders alt zu werden, was wiederum ein Problem im Hinblick darstellt, da ich, wenn ich ein Kind hätte, dann auch für das Kind da sein will.
In diesem Sinne habe ich keine Zweifel. Allenfalls im Hinblick darauf, dass sich mein Ich so total verändert, dass andere Werte mehr zählen könnten, dass ich eine Person treffe, mit der ich eigene Kinder haben möchte. Nichtsdestotrotz, denke ich, dass es wichtig ist, sich nicht immer alle Optionen offen zu halten, sondern das Leben aktiv zu gestalten und Entscheidungen in eine unbekannte Zukunft hinaus zu treffen.
Welche gesellschaftlichen Erwartungen werden an Dich bezüglich Kinder kriegen bzw. Kinder haben herangetragen? Mit welcher davon hast du am meisten zu kämpfen?
Für meine Mutter ist klar, dass Kinderkriegen dazu gehört, sie möchte auch Großmutter werden, für sie ist das ganz wichtig. Erstaunt war ich, als Freundinnen fanden, es sei egoistisch, keine Kinder haben zu wollen (Vasektomie), insbesondere gegenüber zukünftigen Freundinnen. Kann ich nachvollziehen, es ist aber so viel mehr und sicher nicht nur egoistisch.
Wie wirkt sich deine spezifische Lebenssituation in Bezug auf "Kinder oder keine" auf deine Sexualität aus?
Verhütung ist ein wichtiges Thema und führt in gewissen Situationen zu Unsicherheiten. Gerade in längerfristigen Beziehungen wäre es für mich wünschenswert, eine Verhütungsform zu haben, die möglichst unmittelbaren Genitalkontakt zulässt, und nicht die ganze Verantwortung an die Frau abschiebt.
Was ist für Dich feministische Mutterschaft? Geht das überhaupt? Wie geht Vaterschaft ohne in patriarchale Muster zu verfallen?
Vielleicht ist es eher Elternschaft, im Team zu zweit unter Einbezug von erweiterter Familie, Freundes- und Bekanntenkreis sowie Kitas, Tagesschulen, Schulen, Vereine etc. zusammen einen Raum für kindergerechte Lebensgestaltung und Entfaltung zu schaffen, spielerisch, mit möglichst universellen Grundwerten unterlegt. Wobei diese nicht absolut und starr umgesetzt werden, sondern im Dialog, nach Verständnis suchend, Kinder ernst nehmend.
Welche Unterstützung wünschst Du dir, wobei und von wem?
Grundsätzliche mehr Raum für Debatte und Ausprobieren im Hinblick auf Soziale Elternschaft und alternative Formen des gemeinsam Kinderhabens, sowie auch auch staatliche Anerkennung von Care-Arbeit durch Nicht-Angehörige z.B einen Patenonkelurlaub, sofern Kinderbetreuung übernommen wird.
Bist du mit anderen, denen es ähnlich – oder ganz anders geht – in Austausch? Bist du zu den Themen rund um (Nicht)Elternschaft politisch organisiert?
Einen Austausch mit Personen, die ähnlich denken, fände ich durchaus spannend, auch im Hinblick auf Erfahrungsaustausch, was so möglich ist, wo Probleme sind und wie sie angegangen werden könnten. [Eine öffentliche Kampagne dazu fände ich interessant, z.B in Form von schwarz-weiß Fotos im Stil von Großfamilien aus dem 19. Jahrhundert, aber halt in bunt und frei-assoziiert…]