Charlie

Alter
33
Gender
Weiblich
Kinder
1

Wie haben sich Freundschaften verändert, seit Du bzw. enge Freund*innen Kinder haben?

An meinem 33. Geburtstag ist mir aufgefallen, dass alle eingeladenen Freund*innen keine Kinder haben. Wir haben in einer Elternkonstellation von drei Bezugspersonen ein Kind bekommen. Von Geburt an hatte ich Wochentage mit Kind – und Wochentage ohne. Weil ich nur einen Teil der Woche präsent war, habe ich sehr wenig Freund*innen mit Kind und mich über die Kita wenig mit anderen Bezugspersonen angefreundet. Ich bedaure das.

Ich habe gute Freund*innen mit Kindern, die leider nicht in der Stadt wohnen, in der ich wohne. Diese Freundschaften schätze ich sehr, denn wenn wir uns dann gegenseitig besuchen, haben die Kinder eine Art Geschwister aneinander; so muss ich Bedürfnisse wie zeitig ins Bett gehen oder regelmäßige Mahlzeiten nicht extra thematisieren. Ich bemerke, wenn wir uns sehen, eine große gegenseitige Entlastung an Reproduktionsarbeit. Es ist schön, zusammen an einem großen Tisch zu sitzen und Abendbrot zu essen.

In welcher Konstel­lation hast Du ein Kind/ Kinder bekommen?

Mir fällt es schwer, im Nachhinein unsere Konstellation zu beschreiben, jetzt wo das Kind sechs ist, und wir uns auseinander bewegt haben. Unsere Umgebung hat auch auf uns eingewirkt. Irgendwie geht es nun doch in Richtung Kleinfamilien. Neue Lebenspartner*innen kommen hinzu, Affären.

Das Kind sagt, jetzt mit sechs Jahren, es hat drei Eltern: einen Papa, einen Bonus-Papa und eine faule Mutter/ Mama. Ich finde Bonus-Papa klingt wie Payback-Punkte sammeln und der Bonus-Papa selbst mag den Begriff auch nicht. Der Bonus- Papa ist aber z.B. nicht berechtigt, Kindergeld zu beziehen, weil er nicht in der Geburtsurkunde steht. Er muss im Trennungskontext auch keinen Unterhalt bezahlen.

Bei der Geburt waren wir zu dritt im Kreißsaal. Auf den Postkarten, die ich nach der Geburt verschickt habe, waren drei große Menschen, und ein Baby. Wir sind eine Frau*, und zwei cis – männliche Menschen, weiß, waren in offener Beziehung, aber auch irgendwie geschlossen, inzwischen sind wir gar nicht mehr in Beziehung. Zum Zeitpunkt der Geburt haben wir unterschiedlich prekär gelebt, ab Geburt hatte das Kind zwei Wohnungen/WGs, und wir drei einen Schichtplan, wer wann Sorgearbeit macht. Zwei von uns haben zeitweise zusammen gewohnt, was es einfacher gemacht hat. Drei Wohnungen merken wir jetzt, funktionieren für uns und vor allem für das Kind gar nicht (aus meiner Sicht).

Da waren wir sehr idealistisch. Wir haben viel vergessen: Wer wohnt enger? Wer hat ab Geburt immer noch ein eigenes WG – Zimmer, wer muss es sich nicht mit dem Baby teilen? Wer bekommt die Miete noch von den Eltern, und wer vom Jobcenter, oder aus Lohnarbeitskontexten? Und wenn wir das alles mit bedacht hätten, war unser Schichtplan für die Sorgearbeit dann noch gerecht? Eher nein.

Wer macht welche Arbeit in der Eltern­schaftskonstellation? Wie habt ihr Eltern­zeiten aufgeteilt? Wie geht ihr mit Ungleichheiten um?

Unser Informationsstand zu Bürokratischem rund um Elternschaft, aber auch unsere persönlichen Reifegrade waren in unserer Elternkonstellation nicht gleich. Weder im Zeugungsprozess, noch ab der Geburt. Das ist mir aber erst später aufgefallen.

So hatten sich nicht alle in unserer Elternschaftskonstellation Fragen, wie diese gestellt: Wie hoch ist eigentlich Elterngeld? Wie hoch sind Großstadtmieten? Wer von uns kann sich in der WG ein zusätzliches Kinderzimmer leisten? Wer hat überhaupt einen Lohnarbeitskontext, der (bezahlte) Elternzeit erlaubt? Einer von uns hatte seine Miete überhaupt noch nie selbst gezahlt, als unser Kind geboren wurde.

Das hat zu Ungerechtigkeiten geführt, wie Lohn- und Sorgearbeit verteilt worden ist und wird. Ich bin als einzige Frau* in der Konstellation diejenige, die auf Lohnarbeit angewiesen war oder nicht mehr in einem Ausbildungskontext stand. Ich habe trotzdem anfangs nicht weniger “Kindschichten” und Sorgearbeit übernommen als die anderen und hatte viel mehr Wissen um Sozialrechtliches. Ich und mein Körper waren durch die Schwangerschaft und ein Beschäftigungsverbot schon viel früher diesen Fragen ausgesetzt. Letztendlich hat das zu Hierarchien, viel Frustration, einer Depression, und zum Scheitern unserer Konstellation geführt.

Stillen und füttern: Wie lief das ab und wie geht’s/ging‘s dir damit?

Ich habe vier bis sechs Wochen gestillt. Zu Beginn habe ich mich sehr komisch damit gefühlt, weil ich mich damit als “superweiblich” markiert gefühlt habe und auch Angst damit verbunden war. Ich oder mein Körper müssen immer da sein, damit das Kind zu Essen hat. Wir sind deswegen relativ schnell auf Pulvermilch umgestiegen, auch weil eine Bezugsperson den Wunsch hatte, das Kind bei sich in der WG auch in der Nacht zu haben.

Im Prozess des Abstillens und Salbeiteetrinkens war ich aber wehmütig, und habe mich z.T. auch gedrängt gefühlt, mich jetzt aber doch wirklich zu beeilen. Im Nachhinein hätte ich das Stillen gerne länger ausprobiert, und das “superweiblich” zur Superkraft umfunktioniert, etwas das nur ich kann, was meine Beziehung zum Kind besonders macht. Ich kam mir in der Folge oft vor, wie die von uns dreien, die nichts kann, die mit dem Kind nicht kann – dabei habe ich gelohnarbeitet, und zumindest eine weitere Bezugsperson von uns mit abgesichert. Für mich ist das Eltern-Schichtmodell früh gescheitert. Dafür steht das Stillen und Füttern bei uns für mich sinnbildlich.

Habt/ Hattet ihr Absprachen für den Fall einer Trennung bzw. eines Zerwürfnisses der Eltern getroffen?

Leider nein. Ich fühle mich seit der Trennung bzw. den Trennungen wie in zwei parallelen Scheidungsverfahren mit den anderen beiden Bezugspersonen. Es sind jetzt nicht nur zwei Wohnungen/WGs, zwischen denen das Kind pendelt, sondern drei. Es war aber auch schwer vorherzusehen, dass wir uns so überwerfen, dass es fast gar keine Kommunikation mehr gibt, ich keine will.

Wie organisiert ihr euch seit der Trennung/ Zerwürfnis? Inwiefern gelingt es, dass es allen gut geht dabei?

Das Stichwort heißt Nicht-Organisation. In der Kita des Kindes waren alle getrennten Eltern in einem 50:50 Modell organisiert, also eine Woche jeweils bei einer Bezugsperson, die nächste bei der anderen. Unser Kind hat seit der Geburt diese Schichten mit Wohnortwechsel.
Zur Trennung kam es, weil ich diesen Schichten nicht mehr hinterherkam. Ich habe als einzige gelohnarbeitet, trotzdem einen ähnlichen Sorgeanteil übernommen wie die anderen. Trotz Lohnarbeit wollte ich mein Kind sehen, die Wege zwischen den Wohnungen und zur Kita haben mich angestrengt und strengen mich heute noch an.

Ich war lange die einzige, die frische Schlüpfer und Socken gekauft hat, die Feste wie Geburtstag und Weihnachten sowie Ferien im Kopf hatte und diese geplant hat. Außerdem war ich diejenige, die eine weitere Bezugsperson des Kindes finanziell supportet hat.

Seit dem Zerwürfnis und im Verlaufe des Trennungsprozesses bin ich in eine Art bewussten Streik getreten. Das Kind ist jetzt nur noch am Wochenende bei mir, auch nicht an jedem. Mir geht es damit besser als vorher, auch wenn ich das Kind sehr vermisse und viel weniger von seinem Alltag mitbekomme als vorher.

Das Kind wohnt unter der Woche bei einer weiteren und jetzt hauptsächlichen Bezugsperson. Wie es dieser Bezugsperson damit (unfreiwillig) geht, weiß ich nicht, sie hat eine neue Beziehung, auch weiblich*, die Sorgearbeit mit übernimmt, und eine ebenfalls weibliche* (aber entlohnte) Babysitterin.

Die dritte Bezugsperson zieht im kommenden Monat in eine andere Stadt - es fühlt sich also an wie in einer Telenovela, und nicht sehr gesund.

Was ist für Dich feministische Mutterschaft? Geht das überhaupt? Wie geht Vaterschaft ohne in patriarchale Muster zu verfallen?

Wenn der Vater auch frische Klamotten und Schlüpfer kauft, und das nicht erst dann, wenn das Kind hauptsächlich bei ihm wohnt.

Wenn die Mutter auch die Wochenendmutter sein darf und unter der Woche Erfolg im Kulturbetrieb hat. Wenn das mit dem Erfolg nicht nur für Väter gilt, die mit anderen Typen Musik in Bands machen, denen die Eltern aber noch bis Ende zwanzig die Miete des WG-Zimmers zahlen.

Feministische Mutterschaft heißt auch, Verhütung geht alle an, nicht nur die Person mit dem Uterus.

Feministische Mutterschaft heißt auch Stillen, heißt auch früh ins Bett gehen, müde sein.

Feministische Mutterschaft heißt viel streiten, sich auf den Boden werfen wie das Kind, kämpfen, streiken.

Zeichnungen mit verschiedenen Darstellungen von Elternschaft