Bereust Du es manchmal, Mutter/ Vater/ Eltern­teil zu sein? Wie gehst du damit um?

Kategorie: Kind(er) haben Autor*in: Cora, 32, Weiblich, ein Kind

Ich habe meinen Kinderwunsch auch nach der Geburt immer wieder in Frage gestellt, vor allem in Episoden, in denen ich schon völlig erschöpft war und mich nach einem Freiraum gesehnt habe, aber stattdessen noch was oben drauf kam: Noch ein Infekt, noch ein Lockdown, noch eine schwierige Phase des Kindes, noch ein paar schlaflose Nächte, noch eine Belastung bei mir oder bei meinem Partner. Das Versorgungsgefüge ist sehr fragil.

Trotz aller Belastungen bereue ich es nicht, ein Kind zu haben. Es ist unfassbar einnehmend und anstrengend, ein Kind gut zu versorgen und es bräuchte mehr Raum, mehr Unterstützung, mehr Wertschätzung dafür. Ich spreche mit vielen Menschen über diese Belastungen. Gleichzeitig ist es die faszinierendste Erfahrung meines Lebens, dass mein Körper dieses Wesen erschaffen hat und zu erleben, wie dieses kleine Baby Stück für Stück eine Persönlichkeit entwickelt, die Welt begreift, lernt, eigene Gedanken in Worte zu fassen. Ich lerne viel über das Menschsein, über das, was alle Menschen lernen müssen. Ich lerne viel über Hierarchien, über Adultismus, eine Welt, die für Erwachsene gemacht ist. Mein Blick für die kleinen Wunder der Welt wird geschärft, weil ein Kind einfach alles spannend finden kann. Ich lache viel mehr, weil mein Kind schon Kleinigkeiten lustig findet und dieses Lachen und Kichern unheimlich ansteckend ist. Der viele Körperkontakt und das große Vertrauen, das mir geschenkt wird, tut gut. Ich liebe es, diesen Menschen so intensiv zu kennen und ich liebe es, mein ganzes theoretisches und praktisches Wissen über eine bessere Gesellschaft in ganz viel Wärme und konkrete Rahmenbedingungen für mein Kind zu packen. Dass ich ein Kind habe, gibt mir Kraft, jeden Tag aufzustehen und hat depressive Anteile in mir zurückgedrängt. Gleichzeitig muss ich aufpassen, auch Zeit für mich zur Selbstfürsorge zu finden, weil sonst das psychische Gleichgewicht auch schnell futsch sein kann. Dass es sich für mich nach der richtigen Entscheidung anfühlt, hat auch damit zu tun, dass mein Partner das genauso sieht und sich genauso einbringt wie ich.

Bevor wir ein Kind gezeugt haben, haben mein Partner und ich viel über das Für und Wider eines eigenen Kindes gesprochen. Für uns sprach viel für das Leben ohne Kind (vor allem Autonomie!) und ein bisschen mehr für das Leben mit Kind. Wenn ich Zeit mit einem Kind verbracht habe – damals vor allem mit meinem Patenkind – dann konnte ich gut im Hier und Jetzt sein, meine oftmals viel zu vielen Gedanken abschalten. Als wir uns für die Realisierung unserer Kinderwünsche entschieden haben, dachte ich an Kinder im Plural – ganz selbstverständlich, ganz naiv wie ich heute finde. Seit kurz nach der Geburt unseres Kindes stand zu 90% fest, dass wir kein weiteres Kind bekommen. Obwohl wir dachten zu wissen, dass es anstrengend ist, ein Kind zu haben, finden wir es in der Realität noch anstrengender. Wir genießen jede Freiheit, die mit dem Älterwerden des Kindes dazu kommt. EIN Kind zu haben stellt für mich eine Art Kompromiss dar zwischen meinem Wunsch nach Autonomie und meinem Kinderwunsch.

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Zeichnungen mit verschiedenen Darstellungen von Elternschaft