Wie ermöglichst du dir Zeit und Freiheiten um politisch aktiv zu sein und Dich zu erholen?

Kategorie: Kind(er) haben Autor*in: Cora, 32, Weiblich, ein Kind

Wichtig für Erholung, soziale Beziehungen und politische Aktivität war es, dass mein Partner und ich wenige Monate nach der Geburt unseres Kindes die Abende unter der Woche fest aufgeteilt haben: Jede*r hat zwei freie Abende und an einem Abend haben wir einen gemeinsamen Abend, an dem wir was Schönes zusammen machen (wenn auch meist zuhause, wenn es keinen Babysitter gibt) und unsere Beziehung pflegen. Es tut gut, wenigstens zwei Abende zur freien Verfügung zu haben und an diesen auch keine Absprachen mit meinem Partner tätigen zu müssen. Denn einer meiner größten Schocks nach der Geburt unseres Kindes war es, wie unfassbar viel wir ständig kommunizieren müssen…. Und nichts ausmachen können, ohne den anderen zu fragen.

Seit unser Kind in Betreuung ist, nutzen wir außerdem einen Vormittag pro Woche (theoretisch) als Zeit für unsere Beziehung (de facto höchstens 2x pro Monat, denn irgendwer ist immer krank o.ä.). Diese Zeit empfinden wir als sehr wertvoll, denn wenn wir uns abends treffen, sind wir meist schon sehr müde. Außerdem klappt es abends bei uns bisher nur selten mit Babysittern. An diesen Vormittagen können wir dann auch mal was außer Haus machen.

Wichtig war für uns auch, dass wir beim Füttern von Anfang an Zwiemilch-Ernährung gemacht haben und ich dadurch von Anfang an abends weggehen konnte. Und dass jede*r von uns ein eigenes Zimmer hat: Mein Partner, ich und inzwischen auch unser Kind. Das hat uns zum einen beim Thema Schlaf entlastet – als Baby schlief unser Kind abwechselnd bei meinem Partner und bei mir im Zimmer. Inzwischen schläft es im eigenen Zimmer und wenn es nachts nicht mehr allein sein will, weist ein Nachtlicht-Leitsystem im Flur den Weg in das Zimmer meines Partners oder mir – je nach dem wer „dran“ ist. Zum anderen haben die eigenen Zimmer Freiraum ermöglicht: Unser Kind hat von Anfang an gelernt, dass sich jede*r ins eigene Zimmer zurückziehen kann und wir diesen Rückzug respektieren.

Wir hatten also von Anfang an kleine Freiheiten, die wir für Erholung, Freund*innenschaften und Politisches genutzt haben, die dann durch Corona aber wieder massiv eingeschränkt wurden. Auch der Plan, Freund*innen von Anfang an in die Betreuung unseres Kindes miteinzubeziehen, wurde dadurch sehr erschwert. Mit einem befreundeten Paar mit Kleinkind ist die Beziehung aber gerade durch Corona noch enger geworden als sie ohnehin war, da wir kurzer Hand beschlossen haben, uns als Haushalt zu betrachten, auch wenn wir de facto nicht im gleichen Haus wohnen. Unsere beiden Kinder wachsen seither als soziale Geschwister auf, werden in der gleichen Einrichtung betreut und bei Lockdowns haben wir Erwachsenen uns mit der Betreuung abgewechselt.

Trotzdem fehlt es uns an weiteren Betreuungs- und Bezugspersonen für unser Kind. Im ersten Lebensjahr fanden wir Babysitting noch einfach: Für zwei Stunden bei irgendwem ins Tragetuch packen und die Person geht spazieren – easy. Zu der Zeit war es unserem Kind noch ziemlich egal, wer das war. Seither wurde es immer wichtiger, dass unser Kind die Personen regelmäßig sieht und Vertrauen zu ihnen aufbaut. Es ist gar nicht so einfach, dass Freund*innen unser Kind wenigstens 2x pro Monat mit Ruhe und Zeit sehen können: Eigene Kinder, Lohnarbeitsverhältnisse, Politik, familiäre Verpflichtungen, Erkrankungen…. Da kommt bei allen viel zusammen. Oft passen auch Tagesabläufe einfach nicht zusammen.

Wir leben nicht in der Nähe der Großeltern unseres Kindes und mit dieser Entscheidung bin ich meistens sehr zufrieden. Ich fand es auch immer kritikwürdig, wenn Kinderbetreuung so stark auf die biologische Familie bezogen wird. Inzwischen denke ich aber, dass es beim Thema Großeltern nicht nur um Blutsbande geht, sondern auch um den Faktor Zeit von verrenteten Menschen.

Ich habe das Thema Vereinbarkeit (im Sinne von: Kind, Lohnarbeit, Politisches, Freundschaften, Zeit für mich) massiv unterschätzt, obwohl ich mich aus feministischer Perspektive schon lange vor der Geburt damit beschäftigt hatte. Ich dachte, das erste Lebensjahr wäre das härteste und mit der Kinderbetreuung würde dann alles besser. Doch mit der Kinderbetreuung kam ja auch die Lohnarbeit massiv zurück. Dazu noch Lockdowns, ständige Infekte, schlechte Betreuungsschlüssel und damit einher gehende Engpässe und kürzere Öffnungszeiten in der Kita – durch all das sind wir auch heute mit einem inzwischen 3-jährigen Kind weit weg von einer wirklich kalkulierbaren, regelmäßigen Betreuung. Dass Commitment meines Partners und mir, Lohnarbeit in den Hintergrund zu rücken, werden wir wohl noch einige Jahre länger ziehen müssen als wir ursprünglich dachten.

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Zeichnungen mit verschiedenen Darstellungen von Elternschaft