Welche emanzi­pa­torischen An­sprüche an die Erziehung des Kindes hast du und inwiefern gelingt die Umsetzung?

Kategorie: Kind(er) haben Autor*in: Thomas, 35, Männlich, ein Kind

Die emanzipatorischen Ansprüche an die Erziehung haben sich kontinuierlich abgeschwächt, wenn überhaupt von klassischen emanzipatorischen Idealen die Rede gewesen sein kann. Im Grunde bin ich der Überzeugung, dass Emanzipation gesellschaftlich sein muss zwischen Menschen auf Augenhöhe, in einem gemeinsamen Aufklärungsprozess. Insofern gibt es meiner Ansicht nach einige Widersprüche zur grundsätzlichen Konstellation im Eltern-Kind-Verhältnis. Ich glaube, Erziehung kann höchstens Emanzipationsfähigkeit ermöglichen, aber nicht den Prozess selbst für das Kind übernehmen.

Das führt für mich dazu, dem Kind in erster Linie eine stabile Entwicklungsperspektive bieten zu wollen. Dabei war es mir zu Beginn persönlich wichtig, dem Kind langfristig eine soziale Umgebung anzubieten, in der unterschiedliche große und kleine Menschen ein belastbares Netzwerk für das und mit dem Kind bilden. Der Aufwand vor dem Hintergrund unserer Lohnarbeit, und die Pandemie, die seit dem Ende des ersten Lebensjahres unseres Kindes unsere Realität stark geprägt hat, haben diese Vorstellung schnell erledigt. Schon die Wohnfrage, der hierbei vielleicht entscheidende Bedeutung zukommt, harrt für uns bei den gegenwärtigen Preisen immer noch der Beantwortung. Außerdem erscheint mir in unserer Umgebung die Tendenz in vielen Fällen Richtung Kleinfamilie zu gehen. Dabei habe ich wohl die Notwendigkeit, viel Energie und Zeit in ein Netzwerk zu investieren, unterschätzt. Der Druck auf die Elternkonstellation wirkt mittlerweile so stark auf mich, sowohl ökonomisch wie sozial, dass ich hoffe, dass wenigstens die gröbsten Emanzipationshemmnisse sich in meinem und unserem Erziehungsverhalten nicht reproduzieren. Ich wäre einfach froh, wenn das Kind in den nächsten Jahren möglichst viele Perspektiven kennen lernen kann, sich in seiner Entwicklung nicht erschwert mit den Problemen der Eltern beschäftigen muss und die Fähigkeit erwirbt, Selbstverständlichkeiten im Laufe seines Lebens zu reflektieren. Besonders stark unterschätzt habe ich, wie naturgemäß die gesellschaftlichen Verhältnisse sich dem Kind aufprägen, sei es beim „Einkaufen spielen“, bei der Selbstregulation oder beim Erlernen kommunikativer Muster und Strategien. Ich habe schließlich das Gefühl, selbst möglichst wenige dieser hierarchischen Rollenvorgaben anzubieten, ist schon fast das Bestmögliche, was ich leisten kann.

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Zeichnungen mit verschiedenen Darstellungen von Elternschaft