Warst Du dir schon immer sicher, dass Du selbst Kinder bzw. dass Du keine Kinder willst? Warum? Was lässt dich Zweifeln, was bestärkt dich?

Kategorie: Themen für alle Autor*in: Sarah, 47, Weiblich, kein Kinderwunsch

Ich hatte nie den Wunsch oder die konkrete Vorstellung, selbst Kinder zu haben. Die Begründungen dafür haben sich im Laufe der Jahre und Jahrzehnte verändert. Als Jugendliche waren für mich die Eindrücke von Waldsterben, Tschernobyl und unterschiedlichen Kriegen prägend für die fatalistische Konsequenz: in diese Welt kann und will ich keine Kinder setzen. Wäre ich heute noch in der Situation, erneut über die Frage biologisch eigener Kinder nachzudenken, weiß ich nicht, wie die Antwort mit Blick auf die Klimaszenarien mit allen ihren Konsequenzen aussehen würde.
Ein weiterer zentraler Aspekt in meiner Entscheidung gegen eigene Kinder begründet sich in meiner persönlichen Biografie: ich war 12 Jahre alt als meine Mutter starb und habe angesichts eines schon zuvor schwer traumatisierten, depressiven Vaters, eines jüngeren Bruders und meiner Großeltern, deren einziges Kind meine Mutter war, zu früh zu viel familiäre Verantwortung übernommen. Lange Jahre habe ich berufsbegleitend meine Großeltern bis zu ihrem Tod unterstützt und gepflegt – in einem Lebensalter, in dem sich andere Menschen einer eigenen Familiengründung widmen und Kinder bekommen.
Hinzu kam, dass auch meine jeweiligen Beziehungspartner keinen Kinderwunsch hatten und dass ich mich entschieden habe, die wenige Zeit, die mir neben Erwerbsarbeit, Pflege/Sorgearbeit und rudimentärer Pflege von Sozialkontakten/zwischenmenschlichen Beziehungen bleibt, mit politischer Arbeit in unterschiedlichen Feldern des sozialen Bewegungsspektrums zu füllen. Das brauchte und brauche ich immer für mich, auch als „politisches Korrektiv“ zu meiner Erwerbsarbeit als Gewerkschaftssekretärin.
Meine langjährigen engen Freundinnen haben sich sehr spät (jenseits der 40) noch für die Gründung von Kleinfamilien mit jeweils zwei Kindern, Partner/Ehemann und Eigenheim entschieden. Während unserer 20er und 30er Jahre war das also kein Thema, mit dem ich im sozialen Umfeld permanent konfrontiert worden wäre.
Meine Großeltern hätten sich sehr gewünscht, durch mich noch Urgroßeltern zu werden, haben mich damit aber nie unter Druck gesetzt, sondern mich bei meinen beruflichen Entscheidungen so gut sie konnten unterstützt. Außerdem hat mein Bruder drei Kinder, so dass anderweitig die Wünsche nach Enkeln und Urenkeln erfüllt wurden.

Mittlerweile weiß ich zudem, dass ich aufgrund einer mittelschweren Endometriose-Erkrankung sehr wahrscheinlich auch Schwierigkeiten mit Schwangerschaft und Geburt gehabt hätte. An diesem Punkt fühlte ich mich in der medizinischen Beratung und Betreuung extrem allein gelassen, weil zum Zeitpunkt der OP ausschließlich die Frage gestellt wurde, ob ich noch einen Kinderwunsch habe. Nachdem ich das verneint hatte, gab es keinerlei Beratung, Aufklärung oder Verweise auf Unterstützungsmöglichkeiten, die OP wurde fließbandmäßig abgewickelt. Ich bin mit dem Satz in Narkose geschickt worden „Wir wissen erst, was wir wegschneiden müssen, wenn wir aufgemacht haben. Kann sein, dass sie ohne Gebärmutter aufwachen, aber das wäre in Ihrem Fall ja nicht weiter problematisch…“ Mit den Folgen der OP bin ich bis heute beschäftigt und muss sehen, wie ich damit zu Recht komme. Bis heute suche ich vergeblich nach einer Frauenärztin, die mich, nachdem ich die nach Endometriose-OPs übliche Hormonbehandlung abgelehnt habe, berät. Abgelehnt hatte ich diese aufgrund früherer Erfahrungen mit Hormonpräparaten, die mir zwar gegen die Schmerzen enorm geholfen haben, nach längerer Einnahme aber auch mittlere bis schwere Depressionen ausgelöst hatten. Diese wiederum haben mich über weite Phasen meines bisherigen Lebens darin bestärkt, keine Kinder haben zu wollen.

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Zeichnungen mit verschiedenen Darstellungen von Elternschaft