Welche Unterstützung wünschst Du dir, wobei und von wem?

Kategorie: Themen für alle Autor*in: Vera, 41, Weiblich, ein Kind

Ich habe gemerkt, dass ich in dieser ganzen Phase der Schwangerschaftsabgänge und Fehlgeburten echt wenig Austausch hatte. Ich hatte nur ganz wenige Leute, denen ich die Geschichte in ihrer ganzen Breite und Tiefe erzählen wollte. Ich habe auch gemerkt, dass mehrere Leute in meinem Umfeld das eigentlich gar nicht so hören wollten, sondern lieber da so ein bisschen auf Distanz zu mir gingen. Weil das Ganze sehr belastend war, habe ich mich dann schon auch gefragt, ob ich es anderen überhaupt zumuten darf. Oder muss ich das nicht eigentlich eher einer Therapeutin erzählen? Das hat mich dann immer wieder zweifeln lassen… Ich wünschte mir einen deutlich offeneren gesellschaftlichen Umgang mit diesen Themen von unerfüllten Kinderwünschen, von Abgängen, von Fehlgeburten. Das ist viel zu sehr tabuisiert und diejenigen, die es erleben, sind dann damit total alleingelassen. Das war jetzt in meinem Fall verschärft durch die Pandemie-Situation. Das ist aber auch, glaube ich, ein generelles Problem. Auch was Beratungsangebote anbelangt, war ich relativ überrascht, wie wenig es gibt, wie wenig auch explizit feministische Beratung. Unterstützungsangebote für meine Lebenssituation gab es hier vor Ort schon gar nicht, aber auch anderswo gibt es wenig. Einmal habe ich mich mit einer Frau von einer feministischen Initiative unterhalten. Das hat auch sehr gut getan. Aber insgesamt gibt es kaum Beratungsangebote jenseits des kapitalistischen Geschäftszweigs Kinderwunschberatung.

Zum anderen habe ich gemerkt, dass es mir ganz, ganz schwerfällt, wenn Leute, die mich nicht gut kennen, sondern eher so oberflächliche Bekanntschaften, dann schwärmen von ihren Kindern und wer wieder schwanger ist und wie toll das ist. – Und wenn diese Leute so überhaupt nicht auf dem Schirm haben, dass es vielleicht Menschen gibt, die im Moment in ganz anderen Lebenssituationen stecken und das vielleicht nicht so geil ist, das so offen vor sich her zu tragen und mir schon fast einen Vorwurf daraus zu machen, dass ich immer noch keine Kinder habe. Also ich finde, da müsste sich gesellschaftlich eine ganze Menge wandeln, um im Umgang mit diesen Themen. Es braucht eine Enttabuisierung von Abgängen und Fehlgeburten. Ich meine damit nicht, dass man allen, die schwanger werden wollen, sozusagen erst mal von Worst-Case Szenarien erzählen sollte. Die einzige Hilfestellung kam durch die Hebamme, die bei meiner Frauenärztin in der Praxis ist und die Abgänge begleitet hat. Das war hilfreich, aber nicht ausreichend. Ich wünsche mir einen offenen Umgang mit Enttäuschungen und unerfüllten Erwartungen. Und worüber ich auch schockiert war, wie wenig Forschung es eigentlich zum Thema Abgänge und Fehlgeburten gibt. Es sind so viele medizinische Bereiche so präzise erforscht, aber es gibt ganz wenig Studien, die sich systematisch damit befassen, warum Abgänge eigentlich passieren. Das wird eher so schulterzuckend einfach hingenommen. Das war auch so etwas, das mir vorher alles überhaupt nicht klar war. Insofern, auf Ebene der Forschung, auf Ebene des gesellschaftlichen Umgangs, auf Ebene des Alltags, aber auch auf der Ebene von Beratungsangeboten wäre noch einiges zu leisten, um Menschen wie mich, die in solche Situationen geraten, deutlich besser zu unterstützen, so dass sie einfach damit anders, selbstbewusster umgehen können und weniger leiden.

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Zeichnungen mit verschiedenen Darstellungen von Elternschaft