Ich habe mich unheimlich gefreut, als ich nach über 24 Monaten Sex ohne Verhütung dann erstmalig einen positiven Schwangerschaftstest hatte und dass es endlich geklappt hat. Ich war drauf und dran, das den ersten Leuten erzählen zu wollen. Aber irgendwie hatte ich im Hinterkopf, es sei besser, das nicht innerhalb der ersten zwölf Wochen schon zu verkünden. So habe ich es erst mal für mich behalten. Der ganze Verlauf war dann leider ziemlich tragisch. Ich wachte eines morgens (so Mitte der achten Woche) auf und hatte so eine leichte Schmierblutung. Das hat mir irgendwie Sorgen gemacht und ich bin zu der Frauenärztin gegangen, die auch eine Woche zuvor die Schwangerschaft bestätigt hatte.
Just an dem Tag hatte die Frauenärztin aber zu, weil sie ein technisches Update auf allen Geräten machen musste und sämtliche Behandlungsräume mit Technikern besetzt waren. Sie sagte mir, ich könne zu einer Vertretung gehen – das wäre aber ein relativ weiter Weg gewesen. Die Alternative sei, mich einfach ins Bett zu legen und darauf zu hoffen, dass die Blutung aufhöre; denn in so einer frühen Phase der Schwangerschaft, könne man sowieso noch nichts ernsthaft tun. So bin ich dann also wieder nach Hause gegangen, mit einem sehr unguten Gefühl, aber mit der Hoffnung, dass es sich schon wieder legt. Aber es legte sich nicht, sondern die Blutung wurde immer stärker und spätestens nachts war mir dann klar, dass diese Schwangerschaft verloren ist. Für mich war das schon sehr tragisch, vor allem, weil ich schon so lange gewartet und gehofft hatte, endlich schwanger zu werden – und dann so jähes Ende.
Erschwerend kam hinzu, dass das ganze während des ersten Corona-Lockdowns war und ich kaum Leute traf, mit denen ich darüber reden konnte. Wenn ich darüber sprechen wollte, ging das nur am Telefon, was ich aber immer ein bisschen ungut fand. Und im Endeffekt habe ich es nicht vielen Leuten erzählt. Mit etwas Abstand konnte ich dann später etwas besser drüber reden. Mir hat dann die Frauenärztin relativ schnell empfohlen – wenn ich mir das emotional vorstellen könne – erneut zu versuchen, schwanger zu werden, weil die Wahrscheinlichkeit kurz nach einer Schwangerschaft besonders hoch sei. Und erst da wurde mir auch klar, dass so Abgänge leider zum Leben und zum Alltag gehören und dass über 20 % der frühen Schwangerschaften in einem Abgang enden. Das war ein Thema, das mir vorher kaum begegnet ist. Ich wusste von einer Freundin, dass das mal passiert ist, aber es war so ein Tabuthema. Kaum jemand redete darüber, aber wenn ich mit Leuten darüber sprach, merkte ich: die kannten alle eine Frau, der das schon passiert ist. Insofern wurde mir langsam klar, das ist keine Ausnahme, sondern eigentlich was, das relativ häufig stattfindet. Ich bin dann auch recht schnell, also im übernächsten Zyklus, erneut schwanger geworden. Ich habe mich wieder gefreut – aber nicht so sehr wie beim ersten Mal, sondern hatte eher so eine abwartende Haltung, verbunden mit der Hoffnung, dass es diesmal klappt. Präventiv habe ich schonmal keinen Sport gemacht. Ich habe ein bisschen mein Aktivitätslevel runtergefahren, um mich zu schonen, damit es auf keinen Fall wieder so läuft. In der siebten oder achten Woche war dann auch auf dem Ultraschall schon der Herzschlag erkennbar und wir fingen an, uns zu freuen, haben es aber nur sehr wenigen Menschen erzählt. Trotzdem merkte ich, es macht was mit mir und ich freu mich drauf.
Eineinhalb Wochen später ging ich wieder zur Frauenärztin zur Routineuntersuchung und die sagte schon „Oh je“. Denn: der Herzschlag war nicht mehr zu sehen und der Embryo hatte sich auch überhaupt nicht weiterentwickelt. Folglich war der Frauenärztin sofort klar, auch aus dieser zweiten Schwangerschaft wird nichts. Bei mir hat es ein paar Tage gedauert, bis das wirklich im Kopf angekommen ist. Ich habe dann wie auch schon beim ersten Mal gesagt, ich wolle warten, ob der Abgang von selbst erfolge. Ich habe zwar ein Rezept zur Ausschabung bekommen, hatte aber große Angst da hinzugehen. Es war mir lieber, dass der Embryo in einem mehr oder weniger natürlichen Prozess ausgeschwemmt wird aus dem Körper. Das Material, was dabei herauskam habe ich in Marmeladengläsern gesammelt und zur Frauenärztin gebracht, damit das humangenetisch untersucht werden konnte. Damit war die Hoffnung verbunden, dass man aus diesem Material einen Schluss ziehen kann, womit diese beiden Abgänge zu tun haben. In beiden Fällen gab es aber keine Ergebnisse.
Das war dann so der Zeitpunkt, wo wir überhaupt erst anfingen, uns mit Fragen von Humangenetik auseinanderzusetzen. Humangenetik war für mich vorher höchstens so was im Biologieunterricht. Pränataldiagnostik und diese ganzen Verfahren, so was hielt ich vorher für komische technische Entwicklungen, denen ich eher ablehnend gegenüberstand, von denen ich nicht viel wusste und die ich mir für mich nicht vorstellen konnte. Die Vorstellung, die eigene DNA bzw. die des Kindes sequenzieren zu lassen oder irgendwie ähnliche Untersuchungen vorzunehmen, um etwas über das Erbgut des Kindes zu sagen, das hörte sich für mich an wie aus einem Science Fiction Roman oder so eine Geschichte von Eltern, die sich das perfekte Kind am liebsten im Reagenzglas heranziehen. Es war für mich etwas, das ich für mich immer abgelehnt habe. Trotzdem habe ich das Material gesammelt und untersuchen lassen ohne große Erwartung und Überlegungen. Es war irgendwie surreal…
Nach diesen beiden Abgängen haben wir dann beschlossen, dass wir uns jetzt erst mal Zeit nehmen, den Sommer genießen, in den Urlaub fahren, an was anderes denken und dann noch mal neu überlegen, wie wir jetzt weiter mit der Situation umgehen. Ich hatte auch überlegt, ob ich mich in Psychotherapie begebe. Ich habe aber erstens kein passendes Angebot in meiner Stadt gefunden und zum anderen hatte ich den Eindruck, es gibt so viele Leute, denen es emotional schlechter geht als mir. Ich dachte dann, ach, das geht schon. Das waren jetzt zwei Schicksalsschläge, mal gucken, wie es weiter geht.
Ein halbes Jahr später haben wir die Verhütung wieder eingestellt und zwei Monate später war ich dann tatsächlich zum dritten Mal schwanger. Und ja, ich muss ehrlich sagen, da war es schon so mit einer Resthoffung, dass es diesmal klappt, aber auch mit einer Erwartungshaltung, dass es sehr gut sein kann, dass es wieder nichts wird. Und auch meinem Partner ging es so, dass er schon sehr klar gesagt hat, dass ihn das emotional sehr belastet. Es war klar, dass das nicht unbegrenzt so weitergehen kann, falls diese Schwangerschaft wieder mit einem Abgang enden sollte.
Ja, ich war also wieder schwanger, habe mich erneut gefreut, habe wieder versucht, auf alles zu verzichten, was als Risikofaktor gilt. Und zunächst sahen die Untersuchungen auch gut aus. Wieder war ein Herzschlag erkennbar, dann waren Osterferien und nach den Osterferien ging ich zum Frauenarzt-Termin und erneut stellte sich heraus, dass der Embryo nicht weiter gewachsen war, wie es technisch heißt, es handelt sich um eine nicht-intakte Schwangerschaft. Es war dieses Mal in der elften Schwangerschaftswoche. Es hat mich wahnsinnig getroffen. Ich hatte damit irgendwie doch nicht gerechnet. Ich hatte gehofft, dass es anders sei, auch weil ich so ein bisschen Schwangerschaftsbeschwerden hatte und auch ordentlich Hormone genommen hatte, damit sich die Eizelle gut einnistet. Wieder hieß es abwarten und Tee trinken, es gibt tatsächlich spezielle Tees, damit der Prozess des Abgangs in Gang kommt. Dieser dritte Abgang war viel, viel härter als die zwei vorangegangenen. Medizinisch betrachtet waren die ersten beiden „nur“ Abgänge, ab der 12. Woche spricht man von Fehlgeburt. Während die zwei vorangegangenen eher so wie eine sehr starke Regelblutung mit ordentlich Regelschmerzen waren, war dieser dritte tatsächlich eine richtige Fehlgeburt, mit Wehen, die sich über 24 Stunden gestreckt haben. Es hat unheimlich weh getan, aber es hat funktioniert. Es war zum dritten Mal so, dass die Schwangerschaft rückstandsfrei von selbst abging und mir immerhin die Ausschabung erspart blieb. Geholfen hat mir lediglich jeweils eine entsprechende Akkupunktur der Hebamme, die zu mir nach Hause kam und mit der ich auch über die ganze Situation sprechen konnte. Ja, emotional war es sehr belastend und es war irgendwie klar, das passiert nicht dreimal in Folge zufällig, sondern es gibt hier eine systematische Ursache und wir mussten dann anfangen, uns damit zu beschäftigen. Tun wir was, um diesen Kinderwunsch weiter voranzubringen oder legen wir ihn einfach ad acta? Und welche anderen Formen können wir uns vorstellen?