Robyn

Alter
40
Gender
Weiblich
Kinder
2

Warst Du dir schon immer sicher, dass Du selbst Kinder bzw. dass Du keine Kinder willst? Warum? Was lässt dich Zweifeln, was bestärkt dich?

Ich habe sehr lange gedacht, ich will auf keinen Fall Kinder. Bis ich zum ersten Mal mit einer Frau zusammen war. Dann konnte ich es mir plötzlich vorstellen. Davor habe ich es mir überhaupt nicht vorstellen können. Davor hatte ich eine langjährige Beziehung mit einem Mann. Und da konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen. Heteronormative Kleinfamilie, das ist überhaupt nicht meine Welt, das kann ich mir gar nicht vorstellen. Ich komme aus einem kleinen Kaff und da war es einfach Standard, dass die Mutter zuhause bleibt und der Vater verdient am besten die fette Kohle. Mit diesem Familienmodell konnte ich gar nichts anfangen und das hatte ich im Kopf, wenn ich an Kinder gedacht habe, obwohl meine eigenen Eltern gar nicht so gelebt haben. Ich habe außerdem auch immer gedacht: Kinder finde ich eklig, Babys besonders. Kann ich überhaupt nichts mit anfangen. Und irgendwann habe ich beruflich mit Kindern gearbeitet und habe gemerkt, dass ich Kinder doch nicht so blöd finde. Und dann war ich eben mit einer Frau zusammen und habe festgestellt, es gibt einfach, also auch in meiner Lebenspraxis, alternative Konzepte zu leben. Und da habe ich plötzlich Lust drauf bekommen, ein Kind zu haben.

In welcher Konstel­lation hast Du ein Kind/ Kinder bekommen?

Die Beziehung zu der Partnerin, mit der ich mir Kinderkriegen gut vorstellen konnte, ist letztlich zerbrochen. Es hatte sich immer mehr herauskristallisiert, dass sie keine Kinder will. Und bei mir hat sich immer mehr herauskristallisiert, dass ich welche möchte. Und so war das einer der Gründe, worüber auch unsere Beziehung mit zerbrochen ist. Ich hatte eigentlich gedacht, wir kriegen das irgendwie anders hin. Ich muss ja nicht in der Partnerschaft ein Kind bekommen. Ich habe früher immer gedacht, Kinderkriegen in einer Freundschaft ist doch viel besser. Die sind meistens viel stabiler und langjähriger als Partnerschaften. Aber das wollte sie dann auch nicht. Und irgendwie habe ich da versucht, 1000 kreative Lösungsvorschläge zu machen. Das hat aber alles nicht funktioniert.

Jetzt bin ich mit einem Mann zusammen. Und in dieser Konstellation habe ich Kinder bekommen. Zwischendurch war angedacht gewesen, dass noch eine dritte Person Teil dieser Elternschaft wird. Also, wir haben das Kind nicht zu dritt geplant, sondern die Idee hat sich entwickelt als ich bereits schwanger war. Wir haben während der Schwangerschaft eine Weile unseren Auslandsaufenthalt unterbrochen und mit einer extrem guten Freundin von mir in Deutschland zusammengewohnt. In dieser Zeit kam die Idee auf, dass sie uns nach der Geburt ins Ausland begleitet. Sie konnte es sich gut vorstellen, dass sie dort die Kinderbetreuung übernimmt, während wir arbeiten. Wir hatten es fest geplant, dass wir zu viert ausreisen. Aber als unser Baby auf der Welt war, hat die Freundin ziemlich schnell gemerkt, dass ihr das zu laut und zu viel war mit Baby.

Auf welchem Weg hast du versucht, Kinder zu bekommen?

Als ich anfing, mit meinem Partner über die Umsetzung unseres Kinderwunsches nachzudenken, wollte ich überhaupt keine leiblichen Kinder. Von Schwangerschaft und Geburt hatte ich einfach lauter Horrorvorstellungen. Ich hatte mich bereits in der Beziehung zuvor, als ich mit einer Frau zusammen war, über Adoption und Pflegeelternschaft informiert. Was man da schnell in Erfahrung bringt, ist ja, dass es einfach viele Menschen gibt, die kleine Kinder adoptieren möchten und dementsprechend viele, bei denen es dann nicht klappt. Dann habe ich gelesen, dass über 100.000 Kinder in Deutschland in Heimen leben und da habe ich mir gedacht: „Hey, das ist ja total seltsam. Also irgendwie gibt es total viele Menschen, die gerne adoptieren möchten, aber dann offensichtlich nicht auf die Idee kommen, ein Pflegekind zu nehmen. Und warum müssen irgendwie auch zum Teil wirklich sehr kleine Kinder in Heimen leben?“ Das ist mir überhaupt nicht in den Kopf gegangen. Darüber hinaus habe ich keinen Wunsch gehabt, mich genetisch weiterzuverbreiten oder so was.

Letztlich habe ich ein Biokind und ein Pflegekind bekommen. Das war die Kompromisslösung mit meinem Partner, der so gerne ein leibliches Kind bekommen wollte. Er hatte in seinem medizinischen Beruf bereits mehrere Geburten miterlebt und empfand die Geburt als Wunder, das er unbedingt erleben wollte. Ich fand zunächst, dass er total romantisierte Vorstellungen von Schwangerschaft und Geburt hatte. Aber letztlich haben wir uns sozusagen gegenseitig angesteckt mit unserer Begeisterung und es war klar, dass wir beide Wege gehen wollen. In der Literatur hatten wir gelesen, dass empfohlen wird, erst ein leibliches Kind und dann ein Pflegekind zu bekommen. So weiß das Pflegekind, dass man sich ganz bewusst für es entschieden hat und es kommen keine Ängste auf, dass es durch das leibliche Kind verdrängt werden könnte.

Wie verlief(en) die Schwanger­schaft(en)?

Wir haben gerade im Ausland gelebt und haben beide sogenannte Entwicklungshilfe-Verträge gehabt, als ich schwanger wurde. Nachdem ich den Schwangerschaftstest gemacht habe und der positiv war, bin ich zur Arbeit gefahren, habe einen Workshop gegeben und hatte diesen Gedanken: „Ab jetzt bin ich einfach nie mehr allein.“ Und ich fand den Gedanken toll. Das war ein cooler Start in die Schwangerschaft. Danach war mir echt super schlecht – Schwangerschaftsübelkeit. Dann hatte ich frühzeitige Wehen, musste deswegen nach Deutschland, auch für die Geburt. Die Schwangerschaft war echt eine krasse Erfahrung und ich brauche sie auf keinen Fall noch mal, aber ich bin sehr froh, dass ich es gemacht habe.

Wie war(en) die Geburt(en)?

Die Geburt, die fand ich im Nachhinein betrachtet empowernd, also stärkend, weil ich denke: Wow krass, dass ich das geschafft habe! Auch eine Geburt will ich auf keinen Fall nochmal machen, aber seither denke ich: Fallschirmspringen? Ja klar, würde ich das schaffen. Ist doch alles kein Problem. Ich hatte tolle Unterstützung während der Geburt: Eine tolle Hebamme und mein Partner, mit dem ich mich gemeinsam auf Hypnobirthing vorbereitet hatte und der echt ein toller Geburtsbegleiter war.

Welche Frage fehlt hier auf dem Blog noch? Du kannst sie gerne stellen und selbst beantworten.

Wie verlief der Prozess bis zur Pflegeelternschaft?

Unser zweites Kind ist ein Pflegekind. Wir haben uns beim Jugendamt gemeldet und sind da auf eine ganz fantastische Person gestoßen, die total überzeugt war von dem Konzept Pflegeelternschaft. Sie hat so ein Feuer ausgestrahlt dafür - und das, nachdem sie diesen Job schon 20 Jahre gemacht hat. Das hat mich sehr beeindruckt. Am Anfang haben wir unter anderem darüber gesprochen, wie groß die Gefahr ist, dass das Kind nicht auf Dauer bei uns bleibt. Das scheint wohl von Jugendamt zu Jugendamt unterschiedlich gehandhabt zu werden. Aber sie hat zu uns gesagt, dass sie das in den ganzen Jahren, in denen sie den Job schon macht, noch nie erlebt hat bei der sogenannten Vollpflege. Wenn man die Schiene der Vollpflege geht, dann sei das auf Dauer angelegt und werde auch ganz klar und transparent mit allen Beteiligten besprochen. Das hat uns Sicherheit gegeben. Und dann gibt es so einen zweistufigen Prozess. Als erstes macht man einen Kurs für Anwärter*innen, die Pflegeeltern werden wollen. In der Stadt, in der ich gelebt habe, da geht man auch zum Pflegeeltern-Stammtisch, lernt schon mal Pflegeeltern kennen und kann ihnen Fragen stellen. Ich habe mich auch mit jemandem von dort ziemlich schnell angefreundet, und habe darüber viel mitbekommen über das Leben als Pflegeeltern. In der zweiten Phase entscheidet das Jugendamt, ob sie die Anwärter*innen für geeignete Pflegeeeltern erachten. In dieser Phase muss man sich ziemlich nackig machen, finanziell und psychisch und die Wohnsituation wird geprüft. Es gab sehr intensive Fragen, z.B. was verspreche ich mir davon, Pflegeeltern zu werden, was auch nicht? Wo sind auch meine Grenzen? Was kann ich mir vorstellen zu leisten und was eben auch nicht? Und wenn das alles passt von beiden Seiten, dann gibt es erst mal so eine Art „go“ und dann wird gewartet. Es ist ja nicht so, dass für Erwachsene ein Kind gesucht wird, sondern dass für ein Kind eine passende Familie gesucht wird. Bei uns ging es aber total schnell. Als die Zuständige vom Jugendamt unsere Wohnung angeschaut hat, hat sie uns auch schon mitgeteilt, dass wir als Pflegeeltern in Frage kommen. Und ab wann wir es uns vorstellen könnten. Wir sagten, so in einem dreiviertel Jahr würde es gut für uns passen, wenn ein Kind zu uns kommt, aber wenn natürlich gerade jetzt ein Zuhause für ein Kind gesucht würde, könnten wir auch ab sofort. – Wir hatten ja von unserem älteren Kind noch alles da mit Kinderkleidern, Bettchen und so. – Sie fragte: Wirklich sofort? Wir: Ja! Und dann sagte sie, dass es ein Kind gebe, für das wir eine gute Familie sein könnten. Am nächsten Tag haben wir ihn zum ersten Mal gesehen. Da hat er gerade in einer Bereitschaftspflegefamilie gelebt und war fünf Wochen alt. Eine Woche später ist er bei uns eingezogen. Und dann war unser Sohn bei uns. Das war toll. Bevor er bei uns eingezogen ist, haben wir uns über das Jugendamt mit der leiblichen Mutter getroffen. Mit ihr wurde auch ein offizieller Vertrag geschlossen. Ein Vertrag, in dem uns die leibliche Mutter quasi beauftragt, die Alltagssorge für das Kind zu übernehmen. Das war ganz schön, das Treffen, weil wir nicht den Eindruck haben, irgendwer nimmt ihr das Kind weg, sondern da ist eine Person, die sagt, ich schaff das nicht und das ist toll, wenn ihr das macht. Das ist einfach eine gute Basis dafür, dass er bei uns sein kann. So können wir ihm sagen, dass seine leibliche Mutter das so will. In den ersten Jahren hatten wir gemeinsam mit unserem Sohn dann monatliche Treffen mit den leiblichen Eltern, sogenannte Umgangskontakte. Und so konnte er erleben: Er hat vier Eltern. Und dass das ganz offen ist. Das finde ich toll an dem Konzept Pflege. Ja, so kam unser zweites Kind zu uns. Es war toll, ein kleines Baby zu haben, ohne Schwangerschaft und Geburt in den Knochen, sondern ich war total fit. Es war mega.

Wer macht welche Arbeit in der Eltern­schaftskonstellation? Wie habt ihr Eltern­zeiten aufgeteilt? Wie geht ihr mit Ungleichheiten um?

Bei unserem ersten Kind hatten wir keine Elternzeit, weil wir beide EH-Verträge in der sogenannten Entwicklungszusammenarbeit hatten. In denen gibt es keine Elternzeit. Die Verträge sind etwa aus den 50er-Jahren. Wir haben versucht, uns über einen Anwalt Elternzeit zu erstreiten, aber das ging nicht, da hätten wir vor den BGH gemusst. Wir standen also vor der Entscheidung, entweder unseren Dienst abzubrechen. Dann hätten wir den Mindestsatz von 300€ Elterngeld pro Monat pro Person bekommen, weil wir durch unseren Vertrag so behandelt wurden, als hätten wir nichts verdient. Oder wir konnten einfach weiterarbeiten ohne Elternzeit. Wir wollten unsere Dienste nicht beenden und so musste ich nach dem Mutterschutz gleich wieder anfangen zu arbeiten – die ersten 2 Monate noch im Home Office von Deutschland aus. Nach vier Monaten sind wir zu unserem Dienstort zurückgereist und haben versucht auszuhandeln, den Dienst in Teilzeit fortzusetzen. Wir haben uns die Köpfe eingerannt - wir haben keine Teilzeit genehmigt bekommen. Wir haben also beide Vollzeit gearbeitet – jeweils zur Hälfte im Home Office. Damit wir Arbeiten im Home Office mit Baby hinbekommen, haben wir eine Freundin von uns, die wir vor Ort kennen gelernt hatten, als Kinderbetreuung eingestellt. Sie hatte selbst ein kleines Kind und hat dann unseres mitbetreut.

Ja, und bei unserem zweiten Kind, unserem Pflegekind hatten wir auch keine Elternzeit. Das wäre zwar theoretisch gegangen, aber man hätte es einige Wochen vorher ankündigen müssen. Mein Partner hat seine Arbeitszeit stattdessen auf 50 % reduziert, das ging schneller umzusetzen. Ich habe zu der Zeit studiert. Wir haben uns die Care Arbeit in der Zeit immer wochenweise aufgeteilt: Immer abwechselnd hatte er oder ich die Hauptlast eine Woche lang. Ich habe sozusagen immer eine Woche studiert und mich dann eine Woche um die Kinder gekümmert. Und mein Partner hat seine Dienste im Krankenhaus jeweils auf die andere Woche gelegt. Wir haben es immer so aufgeteilt, dass mein Partner mindestens 50% der Sorgearbeit macht. Wobei es mal eine Zeit gab, als wir erst ein Kind hatten und er gerade einen neuen Job angefangen hat in Vollzeit, da lag der ganze Mental Load bei mir und es war zum Kotzen. Das war das schlimmste halbe Jahr in meinem Leben. Dann habe ich gekämpft. Wir haben dann eine Zeitlang ganz akribisch ausgerechnet, wer wie lange Sorgearbeit für die Kinder geleistet hat. Weil es sonst gar nicht funktioniert hat. Wir haben dann darüber geredet und nachjustiert. Es war wichtig, das zu machen, wenn wir nicht übermüdet waren, sondern in wohlgesonnener, guter Stimmung. Und so kam auch der Beschluss, dass mein Partner in Teilzeit geht. Das hatten wir beschlossen, bevor wir wussten, dass unser zweites Kind zu uns kommt. Dann ist er auf 50% und seither nie wieder in Vollzeit zurück gewechselt. In dieser Zeit habe ich mir auch viel Unterstützung bei anderen Menschen geholt. Es war wichtig, mir diesen Rückhalt zu holen für den Kampf für eine gerechte Aufteilung der Sorgearbeit in unserer Paarbeziehung.

Stillen und füttern: Wie lief das ab und wie geht’s/ging‘s dir damit?

Am Anfang der Aushandlungen mit meinem Partner zum Thema Kinderwunsch war ich voll die Stillgegnerin. Ich habe ihm erst mal klar gemacht, dass man auf keinen Fall stillen muss. Und nachdem das geklärt war, meinte meine Hebamme in der Schwangerschaft so ganz easy, man kann es ja mal ausprobieren, und wenn es nicht läuft, dann halt nicht. Und dann dachte ich: Stimmt, so kann man das auch sehen. So eine entspannte Haltung hätte ich von einer Hebamme gar nicht erwartet. Außerdem wollten wir nach der Geburt zurück in ein Land, in dem mir stillen medizinisch angeraten wurde. Und so kam ich zu dem Entschluss, es halt mal zu probieren. Und dann war es echt krass einfach. Stillen funktionierte bei mir einfach gut und ich stillte mein erstes Kind letztlich eineinviertel Jahre. Ich habe vier Monate nach der Geburt wieder in Vollzeit gearbeitet, zum Teil im Home Office, zum Teil in der Organisation. Ich habe also gestillt und abgepumpt – und das die ganze Zeit, also es hat sehr viel Zeit eingenommen. Im Nachhinein finde ich das auch wieder krass, aber in dem Moment konnte ich es mir gar nicht anders vorstellen. Das Baby ins Bett bringen klappte zum Beispiel super mit Stillen. Abstillen war dann echt scheiße, weil es dann sehr schwierig war, das Kind zum Schlafen zu kriegen.

Bei unserem zweiten Kind, also bei unserem Pflegekind, das mit sechs Wochen zu uns kam, habe ich mich dann gefragt, ob ich noch mal stillen möchte. Ich glaube, das hätte auch geklappt. Einfach wenn ich das Kind ein paar Mal angelegt hätte. Es war für mich aber sehr schnell klar, dass ich das nicht nochmal möchte.

Wir haben unser zweites Kind also mit Milchpulver gefüttert und ich fand es einfach praktisch, dass das einfach jede Person machen kann. Fläschchen geben war eben nicht an mich gebunden. Bei meinem ersten Kind haben wir irgendwann auch Stillen, abgepumpte Milch und angerührte Milch kombiniert. Heute denke ich, dass es vielleicht auch cool gewesen wäre, wenn wir das beim ersten Kind schon früher so kombiniert hätten. Bei meinem ersten Kind dachte ich aber noch, dass, wenn ich mal einmal Stillen aussetze, dann am nächsten Tag keine Milch mehr da wäre. Aber bei mir war das nicht so, das ist kein Problem gewesen. Und bei meinem zweiten Kind war ich deshalb total froh, dass einfach alle ihm das Fläschchen geben konnten. Das war einfach nochmal ein ganz anderes Freiheitsgefühl. Also, gerade die ersten Wochen habe ich bei meinem ersten Kind gefühlt durchgestillt, weil dieser Sommer so warm war und wir unterm Dachboden gewohnt haben. Gefühlt war ich 24/7 am Stillen! Das war bei unserem zweiten Kind dann gar nicht so und das war echt toll. Auch einschlafen ging beim zweiten Kind dann ohne Stillen und zwar besser als beim ersten mit Stillen. Außerdem bin ich nicht so oft beim ins Bett Bringen eingeschlafen und das alles waren Vorteile, mit denen ich gar nicht so gerechnet hatte.

Welche emanzi­pa­torischen An­sprüche an die Erziehung des Kindes hast du und inwiefern gelingt die Umsetzung?

Was mir einfach ganz gut gefällt, ist, unseren Kindern vorzuleben, dass Care Aufgaben gerecht aufgeteilt werden zwischen den Eltern. Das ist hier, wo wir aktuell leben, schon krass emanzipatorisch, habe ich den Eindruck. Früher hatte ich irgendwie den Anspruch an mich, dass wenn ich mal Kinder habe, dass ich dann auf jeden Fall die Person bin, die die Sachen repariert und männlich konnotierte Tätigkeiten ausführt. Aber dadurch, dass meine feministischen Eltern in meiner Kindheit immer wollten, dass ich Fahrräder repariere und toll in Naturwissenschaften bin, habe ich als Jugendliche so eine Abneigung gegen diese Sachen entwickelt. Ich fand es unfair, dass ich die Sachen besser können sollte als mein Bruder. Heute versuche ich langsam diese Abneigung und dieses Unwissen wieder abzubauen, aber in stressigen Situationen, in denen ich Verantwortung für die Kinder habe, schaffe ich solche Sachen nicht nebenbei. Das ist dann die totale Überforderung. Also, ich versuche es immer wieder, aber scheitere grandios.

Dann das Thema Geschlechtsrollen der Kinder: Also, unser Sohn geht halt wirklich sehr oft im Kleid in den Kindergarten und liebt Kleider und liebt rosa. Das versuche ich einfach zu bestärken und habe da zum Beispiel am Anfang einfach mit den Erzieherinnen darüber gesprochen, dass ich mir wünsche, dass er damit eine positive Erfahrung macht und ob sie das unterstützen können. Und da kam eine total positive Resonanz. Das fand ich total schön. Unser Sohn hat auf jeden Fall ein Talent auch dafür, ein trans Talent. Mal schauen, wie es sich weiterentwickelt.

Wir sprechen auch viel mit unseren Kindern darüber, auf welchen Wegen die beiden zu uns gekommen sind und jedes Kind hat da eine andere Geschichte. Und wir erzählen natürlich auch von den leiblichen Eltern unseres Sohnes. Wir haben da auch Fotos und Sachen, die sie ihm geschenkt haben. Dass unser Sohn ein Pflegekind ist, ist bei uns kein Tabuthema, sondern ein alltägliches Thema. Und ich würde mal sagen, aus meiner jetzigen Sicht, gelingt es ganz gut, dass wir das einfach als Normalität leben, dass es verschiedene Familienkonstellationen gibt. Angeblich gibt es viel Konkurrenz zwischen Pflegemüttern und leiblichen Müttern, aber das verspüre ich wirklich gar nicht. Wir wissen, dass seine leiblichen Eltern ihn lieben und das Beste für ihn wollen. Und sie haben uns mal eine Karte geschrieben, in der sie sich bedankten, dass er bei uns sein darf. Unsere beiden Kinder sind extrem dicke miteinander, verstehen sich gut, raufen sich natürlich auch und setzen sich auseinander und so. Aber wir sind eine Familie, alle gehören gleichermaßen dazu.

Wie ermöglichst du dir Zeit und Freiheiten um politisch aktiv zu sein und Dich zu erholen?

Es gibt Zeit dafür, aber es dürfte gerne mehr sein. Wie ermöglichen wir uns das? Durch gute Absprachen, dadurch, dass die Kinder älter werden und dass einfach vieles viel einfacher wird. Auch immer wieder dadurch, dass wir versuchen, andere Leute reinzuholen, die Kinderbetreuung übernehmen. Am coolsten ist es natürlich, Sachen zu machen, bei denen man die Kinder, einfach mitnehmen kann. Ich finde es seltsam, dass das oft so getrennt ist, zwei verschiedene Welten. Mir gefällt es gut, wenn das beides zusammengehen kann, auch wenn ich es natürlich genieße, einfach mal ohne Kind unterwegs zu sein. Aber das bin ich viel, die meiste Zeit des Tages.

Bereust Du es manchmal, Mutter/ Vater/ Eltern­teil zu sein? Wie gehst du damit um?

Ich galt schon in der Schule als die „Emanze“. Ich bin als Feministin groß geworden und habe aber nie richtig gerafft, was für eine harte Arbeit das sein kann, wenn man ein Kind an der Backe hat. Also, vor dem Kinderkriegen ist es… Also, ich will es nicht kleinreden, aber im Gegensatz zu dem Moment, in dem ich anfing, mir gemeinsam mit nem hetero cis Mann die Sorgearbeit für ein Kind zu teilen, erschien mir alles davor als „einfach“. An diesem Punkt wurde es richtig beschissen schwierig. Und das, obwohl wir uns vorher abgesprochen haben und ich den Eindruck habe, okay, ich habe jemanden, der ist auf einer Wellenlänge mit mir. Zwischenzeitlich hatten wir eine Phase, in der es ein richtig harter Kampf war, dass ich nicht alleine die Hauptverantwortung trage. Von allen Seiten wurde mir diese Verantwortung zugeschoben und das kannte ich vorher nicht. Ich bin vorher nie so krass an diese Grenzen gestoßen, die mir aufgrund meiner zugeschriebenen Geschlechterrolle gesetzt werden. Und dass ich diesen Kampf geschafft habe, ist richtig bereichernd.

Welche Frage fehlt hier auf dem Blog noch? Du kannst sie gerne stellen und selbst beantworten.

Was ist eigentlich das Schöne und Bereichernde daran, Kinder zu haben?

Ja, außerdem habe ich nun gelernt, dass Kinder doch nicht so blöd sind, wie ich früher dachte. Das klingt jetzt alles kitschig, aber wie Kinder auf die Welt gucken und reagieren und einfach so im Moment sein können und solche Sachen…. Ich bin Psychotherapeutin und in meiner Arbeit versuche ich mir selbst und anderen Menschen genau zu sowas wieder mehr Zugang zu ermöglichen. Und Kinder können das einfach, die können ihre Bedürfnisse wahrnehmen und ausdrücken und zeigen Empathie. Die sind so voll da und das finde ich genial, da kann ich total viel lernen. Und es ist einfach schön, mit ihnen zu spielen und Quatsch zu machen und zu kämpfen, zu raufen und zu toben. Und die Natur erlebe ich jetzt wieder ganz anders. Als Kind war ich gern am Meer, später dann nicht mehr und jetzt mit meinen eigenen Kindern finde ich es wieder so toll, über Wellen zu hüpfen und zu tauchen und Sachen zu erleben. Oder mit einer Laterne rumzurennen und mich zu freuen wie ein Keks.

Bist du mit anderen, denen es ähnlich – oder ganz anders geht – in Austausch? Bist du zu den Themen rund um (Nicht)Elternschaft politisch organisiert?

Ich war mal zum Thema Sorgearbeit feministisch organisiert mit Menschen mit und ohne Kind. Diese Gruppe hat mich sehr gestärkt. Auch in meiner persönlichen Auseinandersetzung mit meinem Partner war das ein wichtiger Baustein. Die Gruppe war auch deshalb etwas besonderes für mich, weil es vorher in meinem Freundinnenkreis oft so war, dass die Menschen entweder Mütter oder Feministinnen bzw. politisch aktive Menschen waren. Aber Menschen zu treffen, die beides leben, das war total bereichernd.

Zeichnungen mit verschiedenen Darstellungen von Elternschaft