Thomas

Alter
35
Gender
Männlich
Kinder
1

Was ist für Dich feministische Mutterschaft? Geht das überhaupt? Wie geht Vaterschaft ohne in patriarchale Muster zu verfallen?

Patriarchale Muster sind so vielfältig, ich weiß nicht, wie ich das vollständig verhindern soll, und erst recht nicht, ob das überhaupt geht. Die absoluten Spitzen zu vermeiden, das gelingt vielleicht besser. Am einfachsten ist es noch, das gender pay gap zu Hause auszugleichen, die Lohnarbeitsbelastung anzugleichen, den Haushaltskram aufzuteilen. Aber zum Beispiel die Gesprächsroutinen und Verhaltensmuster, die zwischen uns Eltern funktioniert haben, lassen sich gar nicht leicht auf die Eltern-Kind-Konstellation übertragen. In meiner Kommunikation mit dem Kind gibt es quasi natürlicherweise unterschiedliche Machtpositionen. Allein schon, weil das Kind noch lange nicht über dieselben kommunikativen Mittel verfügt. Dazu kommt sicher das Ungleichgewicht in Bezug auf die jeweilige Einsichtsfähigkeit. Zwar kann ich versuchen, dem Kind möglichst viel Raum zu geben, um autoritäre Situationen weitestgehend zu vermeiden. Wenn sich also meiner Ansicht nach üble patriarchale Ausfälle schon vermeiden lassen, bin ich mir nicht sicher, ob sie nicht in neuem Gewand wieder auftauchen. Dazu spule ich bestimmt zu oft unreflektiert Rollenvorgaben ab, die mir in dem Moment gar nicht klar sind. Im Notfall, wenn ich merke, ich reproduziere Verhaltensweisen meines Vaters, dann hab ich als Faustregel einfach, immer das Gegenteil von dem zu tun, was mein Vater gemacht hätte. Aber so platt geht das logischerweise nicht wirklich gut.

In welcher Konstel­lation hast Du ein Kind/ Kinder bekommen?

Ich bin Vater in einer Zweierbeziehung, wir wohnen zusammen und haben vor drei Jahren ein Kind bekommen. Zu Beginn der Beziehung vor acht Jahren waren wir uns nicht sicher, ob wir ein Kind haben wollen. Nach ein, zwei Jahren war ich dann übrig mit den Zweifeln, während meine Freundin sehr stark zum Kinderwunsch tendierte. In vielen Gesprächen über die Beziehung und unsere Ideen für unsere Leben, individuell und gemeinsam, haben wir uns dann entschieden, ein Kind zu bekommen. Die Entscheidung haben wir der Situation entsprechend eher theoretisch getroffen, die Konsequenzen für unsere Leben wirklich zu überblicken ist uns, im Nachhinein betrachtet, nicht gelungen. Wir waren beide relativ gut finanziert durch unsere Jobs, ich angestellt, meine Freundin selbstständig. Als wir uns dann eine gemeinsame Wohnung gesucht haben, haben wir erst auf ein viertes Zimmer und kinderfreundliche Umgebung geachtet, nach einem halben Jahr dann immer noch wenigstens auf ein drittes Zimmer irgendwo. Das Kind kam dann einige Zeit nach unserem Entschluss und wir haben versucht, uns vorzubereiten: Klamotten, Möbel, Vorbereitungskurs, Kita-Platz, Vaterschaftsanerkennung, diesdas. Allerdings kamen gerade emotional und individuell viele Herausforderungen auf uns zu, die wir nicht abgesehen hatten und die, glaube ich, auch schlecht planbar sind. Die Zeit, die wir vorher für uns hatten, war plötzlich weg, die individuellen Freiheiten standen plötzlich unter dem Vorzeichen der Verantwortung für jemand anderen. Über Nacht waren wir Eltern und merken immer noch, dass die notwendigen Aushandlungsprozesse für uns selbst, in der Beziehung und als Eltern eigentlich schon Ergebnisse bräuchten, bevor wir überhaupt den Raum gefunden haben, die Grundlagen zu diskutieren. Unsere Konstellation war also denkbar stabil, aber retrospektiv überhaupt nicht vorbereitet.

Wer macht welche Arbeit in der Eltern­schaftskonstellation? Wie habt ihr Eltern­zeiten aufgeteilt? Wie geht ihr mit Ungleichheiten um?

Die häusliche und Sorgearbeit teilen wir je nach Kapazität, weniger nach Freude an der Tätigkeit. Morgens muss ich früh raus zur Arbeit, also macht die Mutter das Kind fertig und bringt es in die Kita. Dafür hab ich nachmittags früher Schluss und hole es ab, spiele, treffe andere Kinder und Eltern, kaufe ein und mache Essen. Mit dem Ins-Bett-bringen abends wechseln wir uns ab oder richten uns nach unseren eigenen Plänen. Wir haben uns noch nicht durchgerungen, eine weitere Fremdbetreuung einzubauen, obwohl uns das wohl entspannen könnte. Längerfristige Termine (Kinderturnen, Kinderarzt) mache meistens ich, Klamotten für das Kind besorgen macht meistens die Mutter. Eine besondere Herausforderung ist das Wochenende oder die Kita-Schließzeit. Die meisten Bedürfnisse nach Selbstbestimmung und Familienzeit richten sich auf diese Zeitfenster und so kommt es unweigerlich und regelmäßig zu Kollisionen und Konflikten. Dabei ist es eine besondere Schwierigkeit, die Interessen eines dreijährigen Kindes, das ja sprechen kann und Ideen hat, aber alle zwei Minuten seine Meinung ändert, zu integrieren, während wir manchmal einfach Zeit für uns haben wollen oder brauchen.

Ein weiterer Stressfaktor ist immer noch die Covid-Situation. Zwar läuft die Kita erstaunlich stabil, aber es gibt wenige Möglichkeiten, mehr als das Notwendige zu machen, also z.B. die guten Seiten, die die Stadt für das Leben mit Kind bietet, anzunehmen. Viele Kinderzentren o.ä. sind teils zu, oder mit langen Anmeldefristen versehen, oder einfach Inzidenz-Hotspots. Gerade für mich fühlt sich gerade die Kreativseite des Erziehens ganz schön nach Arbeit an, und das Wie, Wann, Wer des Gestaltens von Angeboten ist folgerichtig der größte Konfliktgegenstand unter uns Eltern.

Es ließe sich sagen, dass es allen drei Leuten gleichzeitig gut geht, ist eher selten. Die Betreuungszeiten sind maßgeblich von unseren Arbeitszeiten abhängig, wir haben beide gefühlt zu wenig Zeit, unsere Arbeit entsprechend den Anforderungen zu erledigen und erst Recht zu wenig Zeit für uns selbst. Bisher ließ es sich immer so einrichten, dass Hochbetriebszeiten unserer Jobs sich nicht überschnitten haben, sodass unsere Arbeitsstellen nicht unter unserer Nebenexistenz als Eltern leiden mussten. Die Freizeit wiederum ist stark vom Kind bestimmt bzw. von unseren Ideen von kindgerechter Freizeit, und also auch nicht unmittelbar Quelle eigener Zufriedenheit. Da wir kein besonders gut aufgestelltes, kindgerechtes Netzwerk haben, bleibt vielleicht überdurchschnittlich viel Kleinfamilie übrig am Ende der Woche, und dadurch sind wir stark auf unsere Rollen festgelegt. Für uns Eltern ist aber nicht unbedingt die Rolle als Eltern das Erstrebenswerte am Leben mit Kind, also bleibt oft nur eine Anpassung der eigenen Vorstellungen, um zu der Bewertungen „es geht uns gut“ zu gelangen.

Wenn aber diese Abstriche bei den eigenen Bedürfnissen gemacht sind (die im Übrigen – zumindest in meinem Fall – durch die Lohnarbeit in noch ganz anderem Maße eingefordert werden), dann kann ich zumindest sagen, dass die Einsicht in den Versuch der fairen Aufteilung und ein pragmatischer Umgang mit dem empfundenen Scheitern zumindest reflexiv oft ermöglicht, zu sagen: „geht ganz gut.“

Gerade in den stressigen Szenen im Alltag tauchen Ungleichheiten auf. In diesen Situationen haben wir aber keine vernünftigen Strategien, auf die Unstimmigkeiten zu reagieren, ohne vor dem Kind zu streiten. Im Nachhinein, wenn mal Raum wäre für eine Besprechung, stehen oft schon wieder neue Dinge an und es gilt, die nächste Zeit zu planen oder Arbeit nachzuholen. Dadurch sind die Konflikte nicht richtig aus der Welt zu schaffen, auch wenn es von außen betrachtet, vielleicht einfache Wege gäbe. So bleiben die Frustrationen bei uns Eltern und werden nicht gut aufgearbeitet. In der Folge bleiben die Ungleichheiten, die Ursachen der Konflikte, auch weiter bestehen und verfestigen sich.

In dieser Lage fühle ich mich sehr inkompetent, die Probleme in der Kinderbetreuung zu adressieren, obwohl ich mich vorher und in anderen Beziehungen auch heute noch eigentlich ganz wohl mit meinen Fähigkeiten fühle, Probleme mit anderen Menschen anzugehen. Durch die rege Betriebsamkeit in der Eltern-Kind-Beziehung stellt sich ein Gefühl der Ohnmacht ein, sowohl was die Artikulation der eigenen Wünsche als auch was das Aufgreifen der Bedürfnisse meiner Freundin angeht. Wichtig wäre für uns vielleicht die Etablierung einer zielführenden Routine, Unwohlsein unter uns zu klären. Aber auch nach so langer Zeit habe ich immer noch das Gefühl, dass wir die Welle, die uns nach der Geburt überrollt hat, noch nicht gebrochen haben.

Welche emanzi­pa­torischen An­sprüche an die Erziehung des Kindes hast du und inwiefern gelingt die Umsetzung?

Die emanzipatorischen Ansprüche an die Erziehung haben sich kontinuierlich abgeschwächt, wenn überhaupt von klassischen emanzipatorischen Idealen die Rede gewesen sein kann. Im Grunde bin ich der Überzeugung, dass Emanzipation gesellschaftlich sein muss zwischen Menschen auf Augenhöhe, in einem gemeinsamen Aufklärungsprozess. Insofern gibt es meiner Ansicht nach einige Widersprüche zur grundsätzlichen Konstellation im Eltern-Kind-Verhältnis. Ich glaube, Erziehung kann höchstens Emanzipationsfähigkeit ermöglichen, aber nicht den Prozess selbst für das Kind übernehmen.

Das führt für mich dazu, dem Kind in erster Linie eine stabile Entwicklungsperspektive bieten zu wollen. Dabei war es mir zu Beginn persönlich wichtig, dem Kind langfristig eine soziale Umgebung anzubieten, in der unterschiedliche große und kleine Menschen ein belastbares Netzwerk für das und mit dem Kind bilden. Der Aufwand vor dem Hintergrund unserer Lohnarbeit, und die Pandemie, die seit dem Ende des ersten Lebensjahres unseres Kindes unsere Realität stark geprägt hat, haben diese Vorstellung schnell erledigt. Schon die Wohnfrage, der hierbei vielleicht entscheidende Bedeutung zukommt, harrt für uns bei den gegenwärtigen Preisen immer noch der Beantwortung. Außerdem erscheint mir in unserer Umgebung die Tendenz in vielen Fällen Richtung Kleinfamilie zu gehen. Dabei habe ich wohl die Notwendigkeit, viel Energie und Zeit in ein Netzwerk zu investieren, unterschätzt. Der Druck auf die Elternkonstellation wirkt mittlerweile so stark auf mich, sowohl ökonomisch wie sozial, dass ich hoffe, dass wenigstens die gröbsten Emanzipationshemmnisse sich in meinem und unserem Erziehungsverhalten nicht reproduzieren. Ich wäre einfach froh, wenn das Kind in den nächsten Jahren möglichst viele Perspektiven kennen lernen kann, sich in seiner Entwicklung nicht erschwert mit den Problemen der Eltern beschäftigen muss und die Fähigkeit erwirbt, Selbstverständlichkeiten im Laufe seines Lebens zu reflektieren. Besonders stark unterschätzt habe ich, wie naturgemäß die gesellschaftlichen Verhältnisse sich dem Kind aufprägen, sei es beim „Einkaufen spielen“, bei der Selbstregulation oder beim Erlernen kommunikativer Muster und Strategien. Ich habe schließlich das Gefühl, selbst möglichst wenige dieser hierarchischen Rollenvorgaben anzubieten, ist schon fast das Bestmögliche, was ich leisten kann.

Bereust Du es manchmal, Mutter/ Vater/ Eltern­teil zu sein? Wie gehst du damit um?

Nein, Bereuen kann ich mir nicht wirklich vorstellen. So unvorstellbar, wie das Kennenlernen und Miterleben eines kleinen Menschen ist, so wenig erscheint mir da eine retrospektive Absage vorstellbar. Aber klar habe ich manchmal das Gefühl, dass ich viel für das Kind aufgebe, und das finde ich bedauerlich. Darüber hinaus erscheint mir das echte Bereuen anzusprechen in Gesprächen mit anderen Eltern oder Nicht-Eltern total tabuisiert. Im Grunde finde ich das schon schwierig, aber mir leuchtet die Notwendigkeit eines bindungsstabilen Umfelds mit verantwortlichen Bezugspersonen für das Kind ein, und ich habe das Gefühl, dass viele Eltern das sich das nicht zu leisten zutrauen, wenn sie da noch nicht fertig mit sich selbst sind.
Leute ohne Kinder sind in meinem Umfeld in dem Zusammenhang eigentlich Gesprächspartner, mit denen ich das Thema gar nicht ansprechen muss, da fehlt irgendwie die Empathiefähigkeit. Mit anderen Eltern, v.a. einem Vaterfreund von mir, komme ich da schon eher auf ein Level, aber auch da steht die Beziehung zum eigenen Kind immer irgendwie vor dem offenen Austausch. In unserer Elternkonstellation können wir zwar darüber reden, aber das Bedauern auszudrücken, weniger für sich selbst zu tun, erhält schnell den Charakter, dem anderen vorzuwerfen, dies nicht zuzulassen. Dadurch gibt es auch hier Grenzen des Austauschs. Schlussendlich gehe ich also in erster Linie für mich damit um, ohne allerdings, wie gesagt, wirklich an Bereuen zu denken. Am besten ist es für mich, einfach meine Bedenken zu konkretisieren, dann plane ich zum Beispiel ein Fenster für einen kleinen Urlaub in das „Leben davor“. Das kann einfach bedeuten, ohne Elternverantwortung zwei Stunden Kaffee trinken zu gehen. Das verschafft mir Perspektive und ermöglicht mir, nicht in Krisenstimmung zu verfallen.

Zeichnungen mit verschiedenen Darstellungen von Elternschaft