Tjade

Alter
31
Gender
trans* nicht-binär
Kinder
1

Wie verlief(en) die Schwanger­schaft(en)?

In meiner Schwangerschaft habe ich viele Höhen und Tiefen erlebt. Während der Schwangerschaft war ich für ein Praktikum im Ausland, bin innerhalb der Stadt von einer WG in eine andere umgezogen, habe studiert, politische Arbeit gemacht und politische bzw. „szeneinterne“ Konflikte in meinem Umfeld erlebt. Vor allem aber konnte ich in meiner Schwangerschaft durch diese und die damit verbundenen Anrufungen nicht weiter verdrängen, dass ich keine Frau bin – nie wirklich war. In meiner Schwangerschaft hatte ich dann mein bewusstes inneres und äußeres Coming-Out in meinem engsten Kreis als trans* und nicht-binär.

In welcher Konstel­lation hast Du ein Kind/ Kinder bekommen?

Ich lebe mit dem Partner, mit dem ich das Kind bekommen habe, zusammen. Wir sind beide queer, werden aber meist von außen als schwul wahrgenommen. Vor meinem äußeren Coming-Out bzw. der Anerkennung als trans* (und nicht-binär) wurden wir oftmals als hetero gelesen. Zu unserer Familie gehören aber nicht nur die Herkunftsfamilien, sondern auch wichtige Bezugspersonen für uns und unser Kind. Wir haben gemeinsam ein Kind und mehrere Patenkinder. Außerdem hat unser Kind einen Halbbruder aus einer weiteren Regenbogenfamilie.

Welche gesellschaftlichen Erwartungen werden an Dich bezüglich Kinder kriegen bzw. Kinder haben herangetragen? Mit welcher davon hast du am meisten zu kämpfen?

Schwangerschaft ist per se schon ein extrem aufgeladener Diskurs, aber das Unsichtbar-Machen von Schwangerschaften jenseits von Cisweiblichkeit ist besonders anstrengend und schmerzhaft. Beispielsweise wird einer Person, die mal schwanger war, immer wieder abgesprochen trans* und/oder nicht-binär zu sein. Ich könnte jetzt viele Seiten hier darüber schreiben, was es bedeuten kann in dieser Gesellschaft trans* und/oder nicht-binäre Eltern zu sein – ohne den Blick auf die Überschneidung mit anderen Zugehörigkeiten zu verlieren. Zum Glück gibt es nun immer mehr Menschen, die darüber sprechen, schreiben, sich austauschen und aktivistisch tätig werden.

Ich erlebe immer wieder wie sich Erwartungen und Diskriminierungen an mich in der Überschneidung als Elternteil und als trans* und nicht-binäre Person verstärken. Als Elternteil wird an uns alle der Anspruch gestellt, dass wir für unser Kind das perfekte Zuhause bieten, eine glückliche Kindheit und einen idealen Bildungsort ermöglichen (als Sprungbrett in eine kapitalistische Welt). Natürlich will ich, dass mein Kind glücklich ist und einen guten Zugang zu wichtigen Ressourcen wie Bildung erhält, aber der Druck auf uns als Familie ist enorm. Zu meiner Elternposition kommen nun neben anderen Positionen nun auch noch mein trans*-Sein, nicht-binär-Sein und queer-Sein hinzu und das sollte von uns als Familie am besten ausgeglichen werden, indem wir uns dann besonders anpassen und bestenfalls ganz besonders „normal“ sind. Nicht, dass ihr mich falsch versteht, das ist nicht meine Meinung, sondern das, was von außen an mich herangetragen wird. Und das betrifft besonders Bezugspersonen und Eltern, deren Position in einschränkender, unterdrückender und diskriminierender Weise (mehrfach) von Machtverhältnissen durchzogen ist. Wenn ich als queeres und trans* nicht-binäres Elternteil mein Kind genderunspezifisch/-nonkonform/sensibel aufziehe, werde ich beispielsweise besonders stark beäugt: bis hin zu Unterstellungen, ich würde mein Kind aufgrund und mit meiner eigenen Identität verwirren, manipulieren, anstecken oder was den Leuten sonst noch einfällt.

Diskriminierungen, die sich in der Überschneidung meines Eltern-Seins und meiner trans* und nicht-binären Identität abspielen, sind überall zu finden: in Arbeitsverhältnissen, in schulischen und Kinderbetreuungs-Institutionen, im persönlichen und weiteren Umfeld, im medizinischen Bereich etc. Durch unsere Familienkonstellation und die falsche Geburtsurkunde bin ich immer wieder gezwungen mich zu outen. An sich lebe ich offen und stolz mein trans* und nicht-binär-Sein, aber ich will das nicht immer und in jeder Situation offen legen (vor allem dann nicht, wenn ich mich nicht sicher fühle) und mit den Reaktionen meines Gegenübers klarkommen müssen. Aktuell nervt und verletzen mich am meisten die damit verbundenen, grenzüberschreitenden Fragen und die Rückschlüsse, die Personen damit auf meinen Körper, meine Sichtweise auf Erziehung und die Identität meines Kindes ziehen.

Wurde dir schon mal das Recht oder die Möglichkeit abgesprochen Kinder zu kriegen/zu haben, wie wurde das begründet und was hat das mit dir gemacht?

Ja mir wurde durchaus schon „nahegelegt“ keine Kinder zu bekommen.

Zu meiner persönlichen Erfahrung möchte ich hier nicht mehr erzählen, aber grundsätzlich wird für trans* und nicht-binären Personen nach wie vor – also auch nach der Abschaffung der Zwangssterilisation 2011 – der Zugang zu reproduktiver Selbstbestimmung und Familienleben mit Kind stark reglementiert: durch die rechtliche Lage und diskriminierende medizinische Versorgung, mangelndes Wissen und Ausschlüsse aus Hilfenetzwerken. Dazu kommen bestimmte Narrative und Bewertungen von Familien, fehlende Vorbilder, minority stress und weitere strukturelle Diskriminierungen.

Bist du mit anderen, denen es ähnlich – oder ganz anders geht – in Austausch? Bist du zu den Themen rund um (Nicht)Elternschaft politisch organisiert?

Ich bin mittlerweile gut vernetzt mit anderen trans* und nicht-binären Eltern und Personen mit Kinderwunsch. Das war aber nicht immer so. Mir hat der Austausch mit anderen trans* und nicht-binären Eltern und auch queeren Familien ermöglicht, in meiner Rolle als Elternteil stark und stolz zu werden. Mir hat der Austausch die Chance gegeben, wütend, traurig, enttäuscht, glücklich, mutig uvam. zu sein. Bereits während der Schwangerschaft hatte ich aber das Gefühl aus vielen politischen Strukturen rauszufallen. Als ob Schwangerschaft oder Elternschaft bedeutet, nicht mehr politisch aktiv sein zu wollen. Mir fehlt dabei häufig die Perspektive von Eltern, die nicht „nur“ Eltern sind bzw. sein wollen. Wenn es dann doch mal zu Wort kommt, gibt es doch einige Eltern und Bezugspersonen, die eben nicht allein in ihrer Rolle als Eltern aufgehen (wollen), sondern bei denen das vielleicht auch nur ein Teil von vielen Teilen ihrer Identität ist. Gleichzeitig sind die Ressourcen und Kapazitäten von Personen, die Care-Arbeit leisten, begrenzt. Wenn dann die Unterstützung – wie z.B. Kinderbetreuung oder passende Plenumszeiten – fehlt, können politische u.ä. Räume schnell ausschließend werden. Wobei viele politischen Räume ja leider eh schon viele ‚andere‘ Positionen nicht mitbedenken und ausschließen. Vor allem aber wünsche ich mir – und daran arbeite ich auch – , dass die Vernetzung von trans* und nicht-binären Eltern, Bezugspersonen und auch queeren Familien zugänglicher und offener wird und diversere Positionen miteinbezieht.

Zeichnungen mit verschiedenen Darstellungen von Elternschaft