Cora

Alter
32
Gender
Weiblich
Kinder
1

Habt ihr Gespräche innerhalb der Partnerschaft geführt bevor Ihr Euch für ein Kind entschieden habt und wenn ja, welche?

Ja, mein Partner und ich haben viel über unsere Kinderwünsche und unsere Sorgen in Bezug auf Kinderkriegen gesprochen, bevor wir uns für ein Kind entschieden haben. Wir hatten beide unsere Ambivalenzen in Bezug auf das Thema und dann kam noch eine Beziehungskrise dazu. Doch irgendwann kamen wir an den Punkt, dass wir beide uns sicher waren, dass wir gut gemeinsam für ein Kind sorgen können – egal, ob wir als Paar zusammen bleiben würden oder nicht. Die Option Trennung mit Kind haben wir so von vornherein intensiv mitgedacht, auch wenn wir gemerkt haben, dass der Fundus an Vorbildern, wie man eine Trennung mit Kind gut gestalten kann, in unserem Leben nicht gerade groß war. Ich habe es als große Entlastung empfunden, Trennung so bewusst mitzudenken.

Wir haben außerdem Gespräche darüber geführt, wie wir die Elternzeit aufteilen würden, wenn es mit der Realisierung des Kinderwunsches klappen sollte. Wir haben uns viele Gedanken darüber gemacht, wie wir es schaffen können, nicht in die Falle der Retraditionalisierung von Geschlechterrollen durch das (erste) Kind zu tappen. Wir haben vereinbart, dass wir am Anfang drei Monate gemeinsam Elternzeit machen wollen, um uns zu dritt gut einzufinden und danach die restliche Elternzeit 50:50 aufteilen. Uns war wichtig, dass wir beide jeweils die Erfahrung machen, mehrere Monate allein zuhause zu sein mit dem Kind, während der/die andere arbeitet, damit wir beide lernen, Hauptverantwortung für das Kind zu tragen und nicht versehentlich eine*r von uns Familien-Manager*in wird. Kompromisse gab es vor allen Dingen in Bezug auf das Berufliche: Da wir beide viel Care-Arbeit übernehmen wollten, war für uns beide klar, dass wir in den nächsten Jahren keine großen beruflichen Veränderungen durch Weiterbildungen oder gar „Karrieresprünge“ machen können. Das war auf der einen Seite traurig, auf der anderen Seite aber ein klares Bekenntnis, dass wir beide uns intensiv auf ein mögliches Kind einlassen wollten.

Auf welchem Weg hast du versucht, Kinder zu bekommen?

Je nach Lust und Laune über Sex oder über die Bechermethode, da wir keine Lust auf gestressten Sex hatten.

Wie verlief(en) die Schwanger­schaft(en)?

Nach einer kurzen Phase des Glücksgefühls über den positiven Schwangerschaftstest kam ein paar Tage später die Schwangerschaftsübelkeit und blieb drei unfassbar lange Monate. Bis zu meiner eigenen Schwangerschaft kannte ich nur das Wort „Morgenübelkeit“, was ich bald schon sehr zynisch fand, da mir den ganzen Tag über mal mehr mal weniger übel war und nichts dagegen half – und ich nicht die einzige Schwangere in meinem Umfeld war, der es so ging. Die einzige Linderung, die ich fand, war es, überallhin Snacks mitzunehmen und ständig eine Kleinigkeit zu essen. Niemals hat Essen weniger Spaß gemacht- ich tat es nur aus Vernunft. Diese vielen Wochen der Übelkeit waren die Hölle für mich und ich finde es bis heute grausam, dass Schwangerschaftsübelkeit so wenig erforscht ist. In diesen Monaten der Übelkeit verlor ich jeden Bezug zu dem kleinen Wesen in meinem Körper, auf das ich mich vorher so sehr gefreut hatte. Ich habe mich einfach krank gefühlt und versucht durchzuhalten und gehofft, dass ich keine Fehlgeburt haben würde, da ich mir nicht vorstellen konnte, mich nach einem Abbruch erneut und sehenden Auges in diesen furchtbaren Zustand zu begeben.

Als die Übelkeit endlich vorbei war, verlief die Schwangerschaft in körperlicher Hinsicht gut und ich konnte auch wieder eine intensive emotionale Bindung zum Kind aufnehmen. Am anstrengendsten fand ich es dann, mir zu überlegen, wie ich gerne gebären würde und mich mit den Hebammen auseinander zu setzen. Meine Wunschgeburt wäre es gewesen mit einer Beleghebamme im Krankenhaus zu gebären, weil ich die Hebamme dann bereits aus der Schwangerschaftsbegleitung gekannt hätte und ohne medizinische Interventionen hätte gebären können bei gleichzeitiger Sicherheit, dass ich im Notfall schnell medizinisch betreut werden kann. Diese Form der Geburtsbegleitung stand in meiner Stadt jedoch nicht zur Verfügung. Es gibt leider nur ganz wenige Hebammen und Krankenhäuser, die das machen.

Eine Krankenhaus-Geburt kam für mich nicht in Frage, da ich mir nicht vorstellen konnte, dort eine selbstbestimmte Geburt zu erleben. Doch auch die Hebammen des Geburtshauses waren nicht so feministisch, wie ich mir das erhofft habe oder zumindest nicht auf die Art, die mir gut getan hätte. Ich habe sie als ziemlich differenzfeministisch und essentialisierend empfunden – ich bin mit meinen Bedürfnissen, z.B. der Ablehnung von Homöopathie oder dem Wunsch nach partnerschaftlichem Füttern des Babys dauernd angeeckt.

Aber auch die Aversionen zwischen außerklinischen Hebammen und Schulmedizin fand ich belastend. Weder zu den Hebammen noch zur Frauenärztin bin ich in dieser Zeit gern gegangen, gleichzeitig war ich – vor allem weil es meine erste Schwangerschaft war – von deren Wissen abhängig. Niemals zuvor bin ich so stark vergeschlechtlicht worden wie rund um die Schwangerschaft. Es hat meinen Partner und mich viel Energie gekostet, die ständigen Rollenzuweisungen an uns als zukünftige „Mutter“ und „Vater“ und damit verbundene klischeehafte Eigenschaften zurückzuweisen und an unseren eigenen Vorstellungen über gleichberechtigte Elternschaft festzuhalten.

Wie ermöglichst du dir Zeit und Freiheiten um politisch aktiv zu sein und Dich zu erholen?

Wichtig für Erholung, soziale Beziehungen und politische Aktivität war es, dass mein Partner und ich wenige Monate nach der Geburt unseres Kindes die Abende unter der Woche fest aufgeteilt haben: Jede*r hat zwei freie Abende und an einem Abend haben wir einen gemeinsamen Abend, an dem wir was Schönes zusammen machen (wenn auch meist zuhause, wenn es keinen Babysitter gibt) und unsere Beziehung pflegen. Es tut gut, wenigstens zwei Abende zur freien Verfügung zu haben und an diesen auch keine Absprachen mit meinem Partner tätigen zu müssen. Denn einer meiner größten Schocks nach der Geburt unseres Kindes war es, wie unfassbar viel wir ständig kommunizieren müssen…. Und nichts ausmachen können, ohne den anderen zu fragen.

Seit unser Kind in Betreuung ist, nutzen wir außerdem einen Vormittag pro Woche (theoretisch) als Zeit für unsere Beziehung (de facto höchstens 2x pro Monat, denn irgendwer ist immer krank o.ä.). Diese Zeit empfinden wir als sehr wertvoll, denn wenn wir uns abends treffen, sind wir meist schon sehr müde. Außerdem klappt es abends bei uns bisher nur selten mit Babysittern. An diesen Vormittagen können wir dann auch mal was außer Haus machen.

Wichtig war für uns auch, dass wir beim Füttern von Anfang an Zwiemilch-Ernährung gemacht haben und ich dadurch von Anfang an abends weggehen konnte. Und dass jede*r von uns ein eigenes Zimmer hat: Mein Partner, ich und inzwischen auch unser Kind. Das hat uns zum einen beim Thema Schlaf entlastet – als Baby schlief unser Kind abwechselnd bei meinem Partner und bei mir im Zimmer. Inzwischen schläft es im eigenen Zimmer und wenn es nachts nicht mehr allein sein will, weist ein Nachtlicht-Leitsystem im Flur den Weg in das Zimmer meines Partners oder mir – je nach dem wer „dran“ ist. Zum anderen haben die eigenen Zimmer Freiraum ermöglicht: Unser Kind hat von Anfang an gelernt, dass sich jede*r ins eigene Zimmer zurückziehen kann und wir diesen Rückzug respektieren.

Wir hatten also von Anfang an kleine Freiheiten, die wir für Erholung, Freund*innenschaften und Politisches genutzt haben, die dann durch Corona aber wieder massiv eingeschränkt wurden. Auch der Plan, Freund*innen von Anfang an in die Betreuung unseres Kindes miteinzubeziehen, wurde dadurch sehr erschwert. Mit einem befreundeten Paar mit Kleinkind ist die Beziehung aber gerade durch Corona noch enger geworden als sie ohnehin war, da wir kurzer Hand beschlossen haben, uns als Haushalt zu betrachten, auch wenn wir de facto nicht im gleichen Haus wohnen. Unsere beiden Kinder wachsen seither als soziale Geschwister auf, werden in der gleichen Einrichtung betreut und bei Lockdowns haben wir Erwachsenen uns mit der Betreuung abgewechselt.

Trotzdem fehlt es uns an weiteren Betreuungs- und Bezugspersonen für unser Kind. Im ersten Lebensjahr fanden wir Babysitting noch einfach: Für zwei Stunden bei irgendwem ins Tragetuch packen und die Person geht spazieren – easy. Zu der Zeit war es unserem Kind noch ziemlich egal, wer das war. Seither wurde es immer wichtiger, dass unser Kind die Personen regelmäßig sieht und Vertrauen zu ihnen aufbaut. Es ist gar nicht so einfach, dass Freund*innen unser Kind wenigstens 2x pro Monat mit Ruhe und Zeit sehen können: Eigene Kinder, Lohnarbeitsverhältnisse, Politik, familiäre Verpflichtungen, Erkrankungen…. Da kommt bei allen viel zusammen. Oft passen auch Tagesabläufe einfach nicht zusammen.

Wir leben nicht in der Nähe der Großeltern unseres Kindes und mit dieser Entscheidung bin ich meistens sehr zufrieden. Ich fand es auch immer kritikwürdig, wenn Kinderbetreuung so stark auf die biologische Familie bezogen wird. Inzwischen denke ich aber, dass es beim Thema Großeltern nicht nur um Blutsbande geht, sondern auch um den Faktor Zeit von verrenteten Menschen.

Ich habe das Thema Vereinbarkeit (im Sinne von: Kind, Lohnarbeit, Politisches, Freundschaften, Zeit für mich) massiv unterschätzt, obwohl ich mich aus feministischer Perspektive schon lange vor der Geburt damit beschäftigt hatte. Ich dachte, das erste Lebensjahr wäre das härteste und mit der Kinderbetreuung würde dann alles besser. Doch mit der Kinderbetreuung kam ja auch die Lohnarbeit massiv zurück. Dazu noch Lockdowns, ständige Infekte, schlechte Betreuungsschlüssel und damit einher gehende Engpässe und kürzere Öffnungszeiten in der Kita – durch all das sind wir auch heute mit einem inzwischen 3-jährigen Kind weit weg von einer wirklich kalkulierbaren, regelmäßigen Betreuung. Dass Commitment meines Partners und mir, Lohnarbeit in den Hintergrund zu rücken, werden wir wohl noch einige Jahre länger ziehen müssen als wir ursprünglich dachten.

Bereust Du es manchmal, Mutter/ Vater/ Eltern­teil zu sein? Wie gehst du damit um?

Ich habe meinen Kinderwunsch auch nach der Geburt immer wieder in Frage gestellt, vor allem in Episoden, in denen ich schon völlig erschöpft war und mich nach einem Freiraum gesehnt habe, aber stattdessen noch was oben drauf kam: Noch ein Infekt, noch ein Lockdown, noch eine schwierige Phase des Kindes, noch ein paar schlaflose Nächte, noch eine Belastung bei mir oder bei meinem Partner. Das Versorgungsgefüge ist sehr fragil.

Trotz aller Belastungen bereue ich es nicht, ein Kind zu haben. Es ist unfassbar einnehmend und anstrengend, ein Kind gut zu versorgen und es bräuchte mehr Raum, mehr Unterstützung, mehr Wertschätzung dafür. Ich spreche mit vielen Menschen über diese Belastungen. Gleichzeitig ist es die faszinierendste Erfahrung meines Lebens, dass mein Körper dieses Wesen erschaffen hat und zu erleben, wie dieses kleine Baby Stück für Stück eine Persönlichkeit entwickelt, die Welt begreift, lernt, eigene Gedanken in Worte zu fassen. Ich lerne viel über das Menschsein, über das, was alle Menschen lernen müssen. Ich lerne viel über Hierarchien, über Adultismus, eine Welt, die für Erwachsene gemacht ist. Mein Blick für die kleinen Wunder der Welt wird geschärft, weil ein Kind einfach alles spannend finden kann. Ich lache viel mehr, weil mein Kind schon Kleinigkeiten lustig findet und dieses Lachen und Kichern unheimlich ansteckend ist. Der viele Körperkontakt und das große Vertrauen, das mir geschenkt wird, tut gut. Ich liebe es, diesen Menschen so intensiv zu kennen und ich liebe es, mein ganzes theoretisches und praktisches Wissen über eine bessere Gesellschaft in ganz viel Wärme und konkrete Rahmenbedingungen für mein Kind zu packen. Dass ich ein Kind habe, gibt mir Kraft, jeden Tag aufzustehen und hat depressive Anteile in mir zurückgedrängt. Gleichzeitig muss ich aufpassen, auch Zeit für mich zur Selbstfürsorge zu finden, weil sonst das psychische Gleichgewicht auch schnell futsch sein kann. Dass es sich für mich nach der richtigen Entscheidung anfühlt, hat auch damit zu tun, dass mein Partner das genauso sieht und sich genauso einbringt wie ich.

Bevor wir ein Kind gezeugt haben, haben mein Partner und ich viel über das Für und Wider eines eigenen Kindes gesprochen. Für uns sprach viel für das Leben ohne Kind (vor allem Autonomie!) und ein bisschen mehr für das Leben mit Kind. Wenn ich Zeit mit einem Kind verbracht habe – damals vor allem mit meinem Patenkind – dann konnte ich gut im Hier und Jetzt sein, meine oftmals viel zu vielen Gedanken abschalten. Als wir uns für die Realisierung unserer Kinderwünsche entschieden haben, dachte ich an Kinder im Plural – ganz selbstverständlich, ganz naiv wie ich heute finde. Seit kurz nach der Geburt unseres Kindes stand zu 90% fest, dass wir kein weiteres Kind bekommen. Obwohl wir dachten zu wissen, dass es anstrengend ist, ein Kind zu haben, finden wir es in der Realität noch anstrengender. Wir genießen jede Freiheit, die mit dem Älterwerden des Kindes dazu kommt. EIN Kind zu haben stellt für mich eine Art Kompromiss dar zwischen meinem Wunsch nach Autonomie und meinem Kinderwunsch.

Welche Unterstützung wünschst Du dir, wobei und von wem?

Finanzielle Unterstützung vom Staat. Die finanzielle Absicherung durch das Elterngeld von ca. einem Jahr ist ein Witz. Mindestens bis zum vierten Geburtstag, besser bis zum siebten, müssten Menschen mit Kindern Elterngeld erhalten, welches absichert, dass alle Elternteile maximal 20h arbeiten müssen. Nur dann ist meiner Ansicht nach gewährleistet, dass Eltern die Ruhe dafür haben, ihr Kind adäquat zu begleiten, Zeit für sich selbst zu finden, Zeit für politisches Engagement zu finden.

Auch kostenlose UND qualitativ hochwertige Kinderbetreuung ist natürlich wichtig. Der Betreuungsschlüssel ist in unserem Bundesland so schlecht, dass ich ständig ein schlechtes Gewissen gegenüber meinem Kind und dem Kita-Personal habe…

Hast du dich mit anderen Menschen gemeinsam abgesichert, Vorsorge getroffen und wenn ja, wie?

Als wir den Kinderwunsch realisieren wollten, haben mein Freund und ich uns über Möglichkeiten der Absicherung unterhalten. Heiraten kam für uns nicht in Frage, da wir die Eheprivilegien problematisch finden. Wir haben uns also um die Vaterschaftsanerkennung und das gemeinsame Sorgerecht gekümmert. Außerdem haben wir gegenseitig Patientenverfügungen abgeschlossen. Ein Testament wäre vermutlich auch noch gut… Das, was wir gemacht haben, ist nur das Minimum und es bleibt eine Restunsicherheit, ob wir so in verschiedenen Notfällen tatsächlich gut abgesichert wären.

Zeichnungen mit verschiedenen Darstellungen von Elternschaft